Der Artikel „INTERVIEW MIT HOLGER BRANDENBURG – „Das ist einfach nur ein Mensch, so wie du auch, nur du hast ein Bett und er nicht, das ist der Unterschied!“ erschien in der EN-Aktuell 03/24. In der Zeitschrift ist nur ein gekürzter Teil des Interviews zu lesen. Das komplette Interview können Sie als Video oder Podcast anschauen bzw. lesen.
Das Interview anschauen statt lesen
Sie möchten das Interview lieber anschauen statt es zu lesen? Kein Problem, hier können Sie sich das Interview ansehen oder anhören:
ANMERKUNG: Normalerweise können Sie an dieser Stelle das komplette Interview lesen, das von einer Kollegin aus dem EN-Aktuell-Team transkribiert wird. Da dieses Interviewer lang ist und erst kurz vor Redaktionsschluss aufgenommen wurde, hatten wir leider weder die Zeit noch die Kapazitäten das Interview selbst in Textform abzuschreiben. Deshalb haben wir ausnahmsweise ein Tool mit Künstlicher Intelligenz (KI) genutzt, um dies für uns zu tun. Sollten Fehler beim Transkript auftauchen, möchten wir uns dafür entschuldigen und darauf hinweisen, dass die Künstliche Intelligenz einen Menschen zumindest in diesem Bereich (noch?) nicht gleichwertig ersetzen kann.
In dieser Ausgabe haben wir mit dem Gründer des Vereins UNSICHTBAR E.V. gesprochen. Nach sieben Jahren ist dies das zweite Interview mit Holger Brandenburg in der EN-Aktuell. Da die Themen Obdachlosigkeit, Bedürftigkeit, Armut und Einsamkeit noch immer so wichtig und aktuell sind, freuen wir uns, dass es Herrn Brandenburg und sein Team gibt und er uns erneut von der Arbeit seines Vereins erzählt.
➠ Im Interview wird offen und schonungslos über Gewalt, Drogenkonsum und großes Leid gesprochen.
„Das ist einfach nur ein Mensch, so wie du auch, nur du hast ein Bett und er nicht, das ist der Unterschied!“
Hallo Holger, vielen lieben Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Den Verein Unsichtbar gibt es mittlerweile fast schon ein Jahrzehnt und was immer auffällt ist, wenn man den Namen liest, ist einfach dieses Wort unsichtbar, weil es meiner Meinung nach auch treffend den Finger so in die Wunde legt. Was waren die Hintergedanken, als du dem Verein den Namen Unsichtbar gegeben hast?
Wir hatten ganz viele Sachen zur Auswahl. Es stand Iglu im Raum. Das war irgendwie eine Abkürzung, das fand ich ziemlich doof. Und am letzten Tag, als wir dann alle eine Unterschrift auf das Papier gesetzt haben, bevor es dann zum Notar ging, bei dem Finanzamt und so war alles tutti, bin ich dann zur Saure, oder heißt das „ins Saure“? In Gevelsberg. Die Gevelsberger mögen mir verzeihen. Da war dieses Gespräch, was wir da hatten und auf dem Weg dahin, wir müssen einen Namen finden, wir haben keinen Namen. Der Verein kann ja nicht einfach e.V. heißen. Und dann bin ich da gesessen und dann ging das nochmal rum, und dann sagte einer: „So jetzt nehmen wir Iglu!“. Und ich so: nee. Und dann irgendwann so ein Geistesblitz, wo ich mir gesagt habe, wir nehmen jetzt Unsichtbar. Weil unsichtbar sind diese Menschen. Ob sie so obdachlos sind, ob sie arm sind, ob sie wohnungslos sind, ob sie einfach nur bedürftig erwerbsarm oder sonst was ist. Geh einfach nur durch die Stadt und guck dir manche Familien an. Guck auf die Schuhe, dann weißt du, wie es ihnen geht.
Der Name ist quasi Programm. Wie sieht konkret deine / eure Hilfe für Obdachlose aus, Holger?
Speziell für Obdachlose. Unser Grundgedanke, das Konzept Unsichtbar, sollte ja von Anfang an etwas ganz Besonderes sein. Ich finde die Arbeit anderer Vereine super wertvoll. Es gibt so sehr viele Vereine, die sich um Obdachlose Menschen kümmern. Es gibt Vereine in Hamburg, in Berlin, in sonst wo. Aber da ist auch die Masse an Obdachlosen, das ist echt Wahnsinn. Und die machen halt ihre Arbeit so, wie sie sie machen. So würde ich die Arbeit hier aber nicht machen. Weil wir haben, im Gegensatz zu Hamburg, haben wir Klacks hier. Wir haben viele, aber wir haben Klacks. Und unsere Arbeit sieht so aus, in erster Linie ganz wichtig, dass wir die Menschen auf der Straße nicht von uns abhängig machen. Das fängt damit an, dass keiner dieser Menschen weiß, wann wir auf die Straße kommen und keiner dieser Menschen weiß, wo wir erscheinen. Das heißt, ein obdachloser Mensch, der ja im Prinzip das größte Ziel hat, wieder zurück in die Gesellschaft zu kommen, wieder zurück in die Gesellschaft zu kommen, muss eins tun. Genau das, was ein Raucher auch tun muss, wenn er aufhören will. Er muss da oben anfangen, das zu wollen. Will ich das nicht, passiert nichts. Und wenn ich zu diesen Menschen rausfahre und die wissen, wann ich komme, wo ich hinkomme und was ich denen alles Schönes bringe, dann brauchen die ihren ganzen Tag nichts anderes zu tun, als auf mich zu warten.
Im Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Ich hasse diesen Satz. Ja, ist aber so.
Es gibt nämlich genau das, was du schon sagst, in Hamburg beispielsweise. Da weiß man ganz genau, montags, mittwochs, freitags steht der Wagen um 18 Uhr. Da kann ich mir meine Socken abholen beispielsweise. Nimm uns mal mit, wir sind jetzt am späten Mittag und wir würden es gleich ausfahren.
Am späten Mittag ist leicht unertrieben. Also unsere Touren fahren um 21 bis 0 Uhr. Das sind die Menschen, die am nächsten Tag noch arbeiten müssen. Total super Mitglieder. Ich könnte jedes Mal heulen, wenn ich diese Empathie, die die mitbringen. Es ist ja auch Zeit, wo sie nicht bei ihrer Familie sind, wo sie in der Kälte sind. Das ist immer wieder sehr rührend. Dann haben wir auch Touren. Wir arbeiten sehr eng mit der Polizei, mit der Feuerwehr. In Hagen arbeiten wir, glaube ich. Ich glaube, da gibt es niemanden, mit dem wir nicht zusammenarbeiten. Da fahren wir dann auf Meldung von 0 bis 5 Uhr morgens. Das macht einer, der oberbekloppt ist. Ich habe mittlerweile auch einen Mitglied gefunden, die ist auch ziemlich bekloppt. Die dann auch meine Schicht übernehmen würde. Vielleicht auch, wenn ich mal ein, zwei Tage im Urlaub bin. Das kann ja auch mal passieren. Ich nehme dich jetzt mit.
Ich nehme dich am besten mal auf so eine Nachtschicht mit. Das heißt, ich sitze zu Hause oder fahre. Das kommt immer darauf an, wie ich gerade lustig bin. Dann sitze ich zu Hause und gucke einen Film oder mache etwas am Computer. Vorstandsarbeit ist nicht ohne. Dann geht das Telefon an die Polizei. Wir haben hier einen obdachlosen Menschen. Der Rettungswagen war schon da. Aber er möchte einfach nicht mit. Freies Land. Wer nicht mitmöchte, der fährt nicht mit. Dann kann es ihm doch so schlecht gehen. Wir dürfen den dann einfach nicht mitnehmen. Es sei denn, er ist für sich selbst gefährdet. Aber das ist eine andere Sache. Kein Fall für das Krankenhaus. Aus welchen Gründen auch immer. Dann fragen die halt an, ob wir vorbeikommen. Ob wir einen Wagen da stehen haben. Und wenn wir keinen Wagen stehen haben, dann haben wir dann eine halbe Stunde, drei, vier Stunden später einen Wagen da stehen. Dann zieht der Eugen sich an, wenn er nicht schon angezogen ist. Geht ins Auto, der jede Nacht vor meiner Tür steht und abfahrtbereit ist. Wenn ich gleich nach Hause komme, mache ich erstmal zwei Termos, kein Wasser. Und lege die ins Auto, für den Fall, dass ich raus muss. Und dann fahre ich zu der Person, die mir gemeldet ist. Kommt es immer darauf an, ist es ein Ort, der jetzt, der ist jetzt nicht so ganz lustig, weil ich bin allein unterwegs. Da habe ich dann tatsächlich Rückendeckung von der Polizei. Gibt aber auch im Stadtbahnhof oder ein bisschen außerhalb oder so. Ja, da fahren die wieder und dann komme ich dahin. Oder wir treffen uns kurz, sagen mir, übergeben mir das. Und dann sind wir halt bei diesen Menschen. Und das ganz, das Wichtigste ist, wir fahren Renault Kangoos. Das ist nicht das Wichtigste. Das sind Hochdach-Kungoos, die ehrlich gesagt langsam zu klein werden, weil die Obdachlosigkeit immens steigt.Und dann haben wir in unseren Kangoos, haben wir so viele Sachen drin, dass wir eigentlich 30 Obdachlose Sack kriegen mit 5 Minuten Termin. Und wir haben alles an Bord, um Obdachlosen durch die Nacht zu bringen. Das heißt, wie geht das vonstatten? Ich stelle mich natürlich erstmal vor. Wir bewahren da auch eine gewisse Höflichkeit, weil es ein wildfremder Mensch war. Ich gehe meistens mit der Kirche ins Dorf und sage, ich heiße Holger, wie heißt du? Aber es kommt auch darauf an, wenn du deinen älteren Herren vor dir stehen hast. Wir haben jetzt letztens auf einen getroffen, der ist 73. Da sage ich dann nicht, hi, ich bin der Holger, wer bist du? Ich zeige nur mal drauf, dann darf ich deinen Namen erfahren. Und dann kriege ich direkt raus und möchte, dass ich den mit Nachnamen anspreche oder mit Vornamen. Und das muss man respektieren, das ist wichtig. Das ist einfach nur ein Mensch, so wie du auch. Nur du hast ein Bett und der nicht, das ist der Unterschied. Und dann höre ich mir dann, meistens fangen die dann an zu reden. Ganz, ganz selten, dass irgendjemand sagt: „Verpiss dich!“, das ganz selten. Und in dem Gespräch hörst du eigentlich schon, was dir wichtig ist. Ob die eine Suppe möchten oder einen Kaffee oder sowas. Und ich lasse das immer so da reinfließen. Und dann auch irgendwann so ein bisschen das Ganze locker werden zu lassen. Das ist ja kein Campingurlaub, was die da draußen führen. Und wenn ich die mitten in der Nacht besuche, vorher noch die Polizei oder die Feuerwehr oder irgendein Bürger, der sich Sorgen macht und den gerade mal eben wach gemacht hat, ist das nicht lustig. Weil einschlafen auf der Straße ist nicht einfach. Du musst erst mal den Punkt kriegen, bis du den hast. Und die Angst überwunden hast, dass du dann irgendwie angegangen wirst. Das dauert. Und wenn du dann schläfst, schläfst du. Und wenn dann einer kommt und dich weckt, ist das scheiße. Für mich ist das gut, wenn er schon geweckt worden ist, aber ich das nicht.
Die Frage ist vielleicht ein bisschen plakativ, aber kannst du ungefähr sagen, was die größten Herausforderungen für einen Obdachlosen sind? Jetzt ist natürlich auch Jahreszeit bezogen.
Also jetzt in Richtung Dezember gehend ist das die beste Zeit für einen Obdachlosen. Dezember ist der Monat der Nächstenliebe. Da blühen wir auf. Da wollen wir helfen. Das ist toll. Ich bin so ein guter Mensch, ich habe jemanden ein Brötchen gekauft. Yippie. Und am 24, wenn Weihnachten vorbei ist, interessiert diese Menschen keinen mehr. Was ist eine große Herausforderung? Sie schweben meines Erachtens jeden Tag in Lebensgefahr. Sei es durch die Kälte im Sommer oder durch die Hitze, aber auch durch Menschen, die in unserer gesunden Gesellschaft leben und nicht ganz sauber sind. Nicht jeder, Gott sei Dank, aber viele Menschen haben eine Murmel und die ist so extrem. Die stehen morgens auf, es gibt leider viel zu viele Menschen, Vereine, Presse, Medien, keine Ahnung, wir müssen da jetzt nicht schlecht reden, aber wir sind ja dafür bekannt, dass wir offen reden, die ganz dummerweise Menschen fotografieren oder auch die Schlafplätze fotografieren. Ich habe letztens ein Bild aus einer Stadt gesehen, in der ich geboren bin, aber in der ich schon seit 30 Jahren nicht mehr bin. Und da wurde ein Bild gepostet, ich habe zwei Minuten gebraucht, da wusste ich, wo das ist. Und das ist echt, echt schlecht. Weil die Menschen mit der Murmel, die latschen da hin und dann gibt es entweder aufs Maul, schlimmstenfalls wird angesteckt, ganz dumm gelaufen ist, wenn jemand ermordet wird, weil die einfach Bock da drauf haben. Das ist ja ein Stück Dreck, der ist ja nichts wert. Wir reden auch nicht von sexuellen Übergriffen. Das wollen wir mal so ganz außen vor lassen. Das ist eine Dunkelziffer und da möchte ich gar nicht darüber nachdenken.
Es ist eh schon anstrengend, den Tag überhaupt, die 24 Stunden rumzukriegen, was heißt rumzukriegen, aber tatsächlich durchzustehen und dann noch die Gefahr, die von anderen Menschen kommt.
Und auch die Gefahr, die von dir selber kommt. Du musst dir mal vorstellen, ein obdachloser Mensch, männlich, weiblich, landet auf der Straße. Da gibt es eine Statistik, ich mag keine Statistik, aber das kommt so ungefähr hin. Der obdachlose Herr, der braucht ungefähr sechs Monate, bis die Energie, die er gesammelt hat in seinem Leben, als es ihm gut geht und die einem sagt, du musst von der Straße, du musst von der Straße, du musst von der Straße, du schaffst das, du wirst es schaffen, die reicht dem ungefähr sechs Monate. Der Frau drei Monate. Und danach fängst du an mit Selbstzweifel, du fängst an mit Depressionen, weil du, kein Mensch will auf der Straße leben. Und du schaffst es einfach nicht, von dieser Pissstraße runter zu kommen, weil immer irgendwas anderes ist. Und dann hast du vielleicht noch, dann hast du vielleicht schon Drogenprobleme oder dann hast du vielleicht schon Alkoholprobleme. Und wenn du es dann noch nicht hast, kann es dir passieren, dass du es dann irgendwann hast. Und das ist ja nicht alles. Dieser Teufel in dir, der, wenn du Depressionen hast, der sagt, komm, du bist so gesund, das ist mir wert, da kommt ein Lkw, spring doch einfach mal davor. Depressionen ist ein Arschloch. Ich kann da ein Lied von singen. Aber das geht ja auch nicht nur um das, was kommt, sondern das, was war. Du landest ja nicht auf der Straße, natürlich landest du auf der Straße, wenn du deine Miete nicht bezahlst, aber du landest auch auf der Straße, was weiß ich, weil du in deiner Kindheit vergewaltigt worden bist oder du deine Familie verloren hast oder weil du einfach so eine Klatsche bekommen hast. Ich habe mal jemanden gefragt, was ist denn passiert, dass du auf der Straße lebst? Und er hat gesagt, kann ich nicht sagen. Sonst würden wir nächste Woche hier noch sitzen. Da kannst du ein Buch drüber schreiben. Und es ist schlimm.
Es ist echt schlimm. Und da haben wir noch nicht von den Menschen geredet, die der Arbeitsprostitution zu Dingen sprachen. Das sind meistens osteuropäische Menschen, die kommen hier rüber, denen wird ein Job versprochen. Ich bin jetzt mal der Böse und sage hier, ich habe ein Haus, du kannst günstig arbeiten, renovieren wir mein Haus. Und dann gehe ich irgendwann mal her und sage, ich brauche mal deinen Ausweis, ich muss dich anmelden. Gib mir mal deinen Ausweis. Dann ist das Haus irgendwann fertig. Und dann kommt der zu mir und sagt, ich möchte meinen Ausweis und mein Geld. Dann sage ich, Kollege, du bist schwarz in Deutschland und du hast schwarz gearbeitet, zeig mich doch an. Deinen Ausweis kriegst du auch nicht zurück. Was soll er machen? Der macht gar nichts. Der kann zur Botschaft gehen, kriegt aber nichts, weil er keinen Ausweis hat. Wie will er sich ausweisen? Und dann landet er auf der Straße. Und jetzt sind wir mal ganz ehrlich, osteuropäische Mitbürger, die halt hier rüber kommen, die haben da hinten hin und wieder mal ein ganz tolles Hobby und das ist Wodka. Und den trinken sie hier weiter. Und manchmal ist das echt, echt krass, was da abgeht. Ich kenne einen, der ist sehr jung. Ich schätze mal so auf 28. Der liegt regelmäßig in seinem eigenen Blut, weil er sich mit Alkohol so die Organe geräubert hat.Das ist schlimm. Das ist echt schlimm. Und dann möchte der aber auch nicht ins Krankenhaus. Und dann ist er auch nicht mit mir.
Holger, wenn ich jetzt von mir spreche oder von uns Menschen, was sind Sachen, die ich tun könnte, wenn ich auf einen Obdachlosen treffe? Und gleichzeitig möchte ich dich fragen, gibt es denn auch No-Gos, die ich nicht machen sollte, wo du dir sagst, das machen ganz viele und das ist eigentlich der verkehrte Weg?
Ja, also was du machen könntest, oder was jeder machen könnte, ist etwas, was kein Geld kostet und eine Sekunde dauert. Hallo sagen. Mach diesen Menschen für den Augenblick sichtbar. Wenn du dann noch ein bisschen mehr Zeit hast, sagst du, hallo, wie geht’s? Jetzt könnte man natürlich sagen, bist du bescheuert? Warum sagst du, hallo, wie geht’s? Du siehst doch, der ist obdachlos. Ja, aber ich möchte ja ein Gespräch anfangen. Wenn ich da hingehe und sage, hallo, ich weiß, du bist obdachlos, dir geht’s scheiße, das ist kacke, das weiß der selber. Aber da kommt jemand und der interessiert sich für mich. Du kriegst wahrscheinlich eine Antwort, die dann lautet, Alter, bist du doof, ich bin obdachlos, mir geht’s scheiße. Du kannst mir so eine Frage stellen. Aber dann bist du trotzdem im Gespräch drin. Und das ist wichtig, hallo zu sagen. Da erreichst du manchen Menschen echt den Tag mit. Was du nicht machen solltest, ist, ganz wichtig, im Winter, bitte, bitte, bitte, keine Decke dem Obdachlosen geben. Bei den Temperaturen, heute Abend, wird es kalt. Ich lege eine Decke über jemanden, die wird klamm, dann wird es kalt, das heißt, das wird ein bisschen kälter, diese Decke entwickelt vielleicht bei Minusgraden auch eine Eisschicht. Und wenn du Pech hast, der ist morgen tot, weil der erfriert. Decke, keine gute Idee. Dann lieber googeln, oder sich zu Hause schon darüber informieren, was für Vereine gibt es, oder was kann ich vielleicht tun, steht überall. Und wenn du dann schon die Nummer an deinem Telefon hast, dann kannst du echt handeln. Und wenn du dir nicht sicher bist, wenn du dir wirklich nicht sicher bist, geht es dem jetzt gut, oder geht es dem scheiße, oder braucht er Hilfe, aber ich traue mich nicht, weil ich vielleicht eine Frau bin, die sich nicht traut, ihn anzusprechen. Hey, wir haben einen Notfall. Wir haben die 110, wir haben die 112. Und einer von beiden wird kommen. Und du brauchst echt kein schlechtes Gewissen zu haben, diese Nummer zu wählen. Und was man auch nicht machen sollte, ist, wenn du durch die Straßen gehst, in die Bäckerei zu gehen, ein Brötchen Kaffee dahin zu stellen. Tu das bitte nicht.
Ach schau an, in so vielen Facebook, YouTube-Videos rühmen sich Menschen, die genau das machen.
Ja, aber das Problem ist, dieser Mensch kommt aus seinem Sternenimmel-Wohnzimmer zu der Bäckerei und setzt sich morgens um 9 Uhr dahin. Und sitzt da. Und jetzt kommst du, stellst dir ein Brötchen und einen Kaffee dahin. Jetzt kommen die nächsten 50 Leute, bis um 16 Uhr, stell dir ein Brötchen und einen Kaffee dahin. Und jetzt kommt deine Frau und geht zu dem Obdachlosen und sagt mal, möchtest du vielleicht ein Brötchen und Kaffee? Und dann sagt der dir, Gott sei Dank hat dich der liebe Gott geschickt, du bist der Erste, der mich fragt. Weil, mittlerweile kann ich Konditorei aufmachen. Und dem Letzten, der mich gefragt hat, dem habe ich gesagt, leck mich am Arsch, verpiss dich, ich würde gerne ein bisschen Geld haben. Und der hat mir gesagt, ich wusste gleich, dass du dummer Penner nur Drogen und Alkohol opferst. Das ist aber falsch. Erstens, wenn ich mit Menschen nicht spreche, dann kann ich mir vieles einreden. Was aber trotzdem falsch sein könnte. Wenn ich durch die Stadt gehe und mein Handy ist aus, dann frage ich auch wildfremde Menschen nach dem Weg. Was kann passieren? Ich kriege eine Antwort oder ich kriege keine Antwort. Wir verwechseln einfach, dass diese Menschen, die da sitzen, uns eigentlich ein Vorbild sein müssten. Weil, was unterscheidet sie? Nicht der Alkohol oder den Drogen. Wir in unserer Gesellschaft. Ich rauche seit langem nicht mehr und ich trinke auch nicht. Sieht man mir vielleicht nicht so an. Aber es gibt genug Menschen, die trinken jeden Tag ein Glas Rotwein oder ein Bier. Und jetzt tut mir leid, aber ihr seid Alkoholiker. Das ist Alkoholismus. Dann gibt es andere, die rauchen auf Kette oder es ist ja jetzt legalisiert, die hauen sich bei einem Joint rein. Das ist eine Sucht. Und wenn man früher gesagt hat, das unterscheidet mich vom Obdachlosen. Der hat keine Wohnung und der ist meistens drogenabhängig. Nee. Unsere Gesellschaft ist ja nicht viel besser. Das, was uns wirklich unterscheidet, sind tatsächlich zwei Sachen. Er hat kein Dach über dem Kopf. Und wir hatten ein Quäntchen, aber wirklich ein Quäntchen mehr Glück, dass wir nicht da liegen. Und wir sollten echt dankbar dafür sein, dass was weiß ich, meine Frau nicht überfahren worden ist, mein Kind nicht irgendwie durch einen Unfall … Denkt nur an das Flugzeugunglück damals, von Barcelona nach Hause. Wie viele Menschen da auch aus unserer Region ums Leben gekommen sind. Sowas kann ich kaputt machen. Vor vier Jahren ist mein Hund verstorben. Ich musste ihn einschläfern lassen. Und ganz ehrlich, hätte ich mein soziales Umfeld nicht gehabt, ich stand schon bei Ewigkeit in der Getränkeabteilung. Bis dann da irgendwas sagte, das ist nicht die Lösung. Ja.
Holger, wenn … Ihr seid mittlerweile so viele Jahre … Ihr schaut hin. Ihr schaut auch nicht nur bei Obdachlosen hin. Denn ihr habt mittlerweile auch festgestellt, es gibt auch Familien, wo am Ende des Monats das Geld nicht mehr reicht. Es gibt Rentner, die vielleicht tatsächlich die Pfandflaschen sammeln müssen, um bis zur nächsten Auszahlung zu warten. Leider. Es gibt drei Projekte, die ich gerne mal ansprechen möchte. Martha hilft, Unsichtbär und der MAMF. Verrat mir was zu den Projekten.
Also fangen wir bei dem MAMF an. Der MAMF ist eine mega Idee gewesen. Der Plan war, Gutscheine in den Imbiss mittlerweile würden wir auch weiterdenken, beim Bäcker etc. hinzulegen. Und dieser MAMF, diese Karte wird gekauft werden. Und die Menschen, die wirklich nichts haben, ist so eine entsetzliche Scham, kann ich mir vorstellen. Neben mir drei Leute, rechts neben mir fünf Leute und ich stehe da und sage, könnte ich vielleicht ein Brötchen haben. Aber ich habe kein Geld. Alter, das ist echt schlimm. Und was wäre, wenn alle mit fünf Euro bezahlen und der eine mit zehn und der andere mit zwei. Und ich hätte hier so eine Karte, die aussieht wie ein Gutschein. Und die sagt, ich hätte gerne ein Brötchen, ich zahle mit der Karte. Ich habe etwas rübergegeben. Das Problem ist einfach, wir haben echt viel zu tun. Wir haben richtig, richtig viel zu tun. Und ich kann mir keinen Monat, keinen Monat im Jahr ein, wo wir nicht viel zu tun haben. Und dieser Mann, das war eine richtig geile Idee, aber dafür fehlen uns ehrenamtliche Mitglieder, die wirklich sagen, ich baue das Ding mit. Ich baue das Ding selbstständig.Ich mache nichts anderes. Ich mache nur das. Und dafür gehört dann halt auch die absolute Kaltakquise. Kaltakquise ist leider nicht für jedermann was. Wo du blind einfach in das Bäckereien oder sonst irgendwas anrufst und sagst, ich habe eine geile Idee, willst du mitmachen? Oder da vorbeigehst. Hätten wir die, würden wir den Mamm wieder aufblühen lassen. Aber im Moment schläft er. Leider, weil es eine schöne Sache ist.
Der Unsichtbär hieß irgendwann mal Herzkalender, weil der Herzkalender sollte jeden Monat oder jeden Tag im Jahr, wie so ein Abriss, etwas Gutes für Familien machen, die sich sonst kein Kino, kein Museum, kein Freizeitpark erlauben können. Das machen wir im Ennepe-Ruhr-Kreis und in Hagen. Woanders nicht. Hat aber auch die Gründe, dass es einfach zu viel werden würde. Und jetzt melden sich Familien bei Unsichtbär, es gibt auch eine Unsichtbär-Seite, da stehen die ganzen Attraktionen, die wir anbieten. Und es gibt auch eine Facebook-Seite, da postet Unsichtbär regelmäßig, was wir anbieten. Und dazu gehört tatsächlich ein Märchenwald, eine Theateraufführung, ein Highlight im Sommer, Moviepark. Patsch! Das ist natürlich krass, da war ich noch nie, da will ich gerne mal hin, aber ich kann es ja gar nicht, weil das ist Arsch teuer. Und was wollen wir damit bewirken? Wir wollen damit bewirken, dass wir diese Couch-Potatoes, nicht böse sein, für welche manche Ausdrücke haben, dass wir die Eltern, die mit ihren Kindern an der Playstation zocken und sagen, unser Leben ist scheiße, Papa, toll war mein Sohn, hier haben wir dein Gelb. Dieses Aufgeben.
Das möchten wir damit reaktivieren. Wir schicken die ganze Familie in den Zoo, wenn es gut läuft und wir haben da gerade eine Aktion laufen, dann brauchen die sich auch keine Pommes zu kaufen, dann brauchen sie keine Getränke zu kaufen, das übernehmen wir. Wir bezahlen den Eintritt und machen einen schönen Tag. Und nach diesem Tag wäre es echt toll, wenn der Vater oder die Mutter sagen, ich habe keinen Bock auf die Playstation, weil das war so schön. Ich habe endlich wieder entdeckt, wozu eigentlich mein Kind da ist. Nicht so, sondern ich habe das Lachen gesehen, ich habe die Freude, ich habe gut mit meiner Frau unterhalten können, es war so entspannt. Und als nächstes möchte ich nicht, dass Unsichtbar mir das finanziert, sondern ich. Und dass die Menschen ihr Popo so ein bisschen hoch kriegen. Und du kannst in deinem Leben nur was ändern, wenn du das mit Freude machst.nWenn du keine Freude in dir hast, dann änderst du nichts. Das ist der Unsichtbär. Und wenn wir von 10 oder 20 Leuten, die wir ausschicken, einen damit aktivieren können, ist das wunderbar. Und der Unsichtbär macht auch Wunschbaumaktionen. Letztes Jahr haben wir 70 Kindern ein Geschenk ermöglichen können, die sonst nichts bekommen hätten. Und das ist natürlich was, also 70 ist eine Hausnummer. Dieses Jahr machen wir das auch und ich ahne Schlimmes.
Marta hilft. Marta hilft ist ein Herzensprojekt.Marta hieß meine Oma. Und meine Oma, es gibt so zwei Sachen, die flashen mich immer, meine Oma und mein Hund. Authentisch, das ist mittig, wenn ich von diesen zwei Personen spreche. Meine Oma war ärgstens gut. Und ich glaube, das war die liebste Frau auf der ganzen Welt. Was kann ich sagen, ich bin Single, also ich kriege da jetzt auch zu Hause kein Alter. Du bist doch eine Oma. Ja, und die hat mich halt so erzogen. Die hat mich weit begleitet in meinem Leben und die hat mir halt mit auf den Weg gegeben, dass es echt toll sein kann, bevor man sich selber hilft, dass man erstmal andere hilft. Weißt du, ihr seid jetzt, ihr habt Premiere. Das habe ich, glaube ich, so noch nicht erzählt. Der Wunsch, der größte Wunsch meiner Oma war, dass ich eine Frau finde, die ich heirate, die ein schönes Leben hat. Den Wunsch konnte ich ihr nicht erfüllen. Bis heute nicht. Aber vielleicht jedes Mal, wenn ich rausfahre und jemandem helfe oder irgendwas anderes Gutes tue, was ich mit diesem Verein kann, dann hoffe ich, dass sie da oben sitzt, neben meinem Hund, den übers Köpfchen streichelt und sagt, das hast du toll gemacht. Das wird toll. Marta hilft. Ich hasse es, du schaffst es. Ich habe Tränen vor der Kamera, hoffe, dass es nicht doof wird. Ich bin ja kein Profi.
Du bist einfach authentisch. Was verfolgst du denn mit dem Projekt Marta hilft?
Martha hilft… Es gibt so viele Rentner, die stehen an der Tafel ganz hinten, weil sie nicht schon zwei Stunden vor Öffnung der Tafel an der Tafel stehen. Und wenn die dann drankommen, gehen die meistens mit leeren Taschen oder mit nicht viel drin.
Mit dem, was sie noch tragen.
Genau, das will ich ja nicht sagen. Es gibt Rentner, die würden sich so darüber freuen, Königsberger Klopse von meiner Oma zu essen. Oder Zwiebelsuppe von meiner Tante. Die sind aber tot, ich werde das nie wieder so geschmacklich hinkriegen. Und dann hast du so eine liebe, kleine, nette Oma, die sagt, ich möchte mir so gerne was kochen. Und geht in den Einkaufsladen, steht an der Kasse und darf die Hälfte da lassen, weil das alles so exorbitant teuer geworden ist.
Ist das Projekt speziell für Rentner gedacht?
Ja, 65 plus. Wir haben da draußen Menschen, die haben sich ihr Leben lang den Arsch aufgerissen. Und jetzt, was weiß ich, so oft schon gehört, die Enkelkinder haben gar keinen Bock drauf. Oder die eigenen Kinder wohnen weit weg. Und ach, ich hatte ja auch noch Eltern. Es ist echt schlimm. Ich habe mal eine ältere Dame, mit der habe ich Mensch-Ärgere-Dich-nicht gespielt. Weil wir haben das früher schon mal so ein bisschen angegangen. Dieses Thema. Und dann hat es angefangen zu regnen und zu blitzen. Und dann ist sie auf den Balkon gegangen. Und dann sagt sie, manchmal wünsche ich mir vom Blitz erschlagen zu werden. Damit das halt alles ein Ende hat, weil Einsamkeit ist echt scheiße. Stimmt tatsächlich, Einsamkeit kann dich töten. Und das ist bitter. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Menschen solche Gedanken haben. Jetzt nochmal zu einer Statistik zu kommen. Ich sagte ja schon, Statistiken sind doof. Aber die sagt, ab 65 steigt das Risiko von Suizid. Weil du einsam bist. Du hast keine Aufgabe mehr. Oftmals verlierst du deinen Partner oder sowas. Und dieses Projekt startet erstmal ausschließlich in Ennepetal. Weil wir wollen wirklich ganz klein damit anfangen. Und es wirklich rund machen, bevor wir damit in andere Städte gehen. Wir möchten diesen Menschen helfen. Wir möchten diese Menschen informieren. Hey, dir steht eine Grundsicherung zu. Wir arbeiten mit den Städten zusammen. Ich bin der Schirmherr des Projektes. Was ich total mega finde. Und wir haben in Ennepetal-Milspe einen kleinen Laden. Der ist echt mini. Aber da passt ein Tisch rein, vier Stühle, eine Kaffeekanne. Eine Kommode, Infomaterial. Und das wird so zwei, dreimal die Woche von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Wo Omis und Opis einfach mal hingehen können. Und ihr Leid klagen können. Und wo wir dann vielleicht auch dafür sorgen können, zu sagen, das nächste Mal, wenn du einkaufen gehst, ist der Laden voll. Und du kannst definitiv richtig tolle Königsberger Klopse kochen. Und ich komme auch noch vorbei. Und danach stehen wir noch mit der Galerie. Aber wenn es Gewitter gibt, das Fenster zu. Einfach den Menschen das Gefühl geben, sie sind was wert. Vielleicht im nächsten Schritt, ich könnte mir in diesem Projekt echt ältere Menschen als Ehrenamtler vorstellen. Die genauso einsam sind, genauso nichts zu tun haben. Und die Möglichkeit bekommen, jemanden zu besuchen. Und was mit denen zu unternehmen. Wir nennen unser Projekt Ressort. Dieses Ressort, das leitet der Rüdiger Wackwitz. Der mir verboten hat, das Projekt zu leiten. Weil… Und er hat recht. Ich achte einfach viel zu wenig auf meine Gesundheit. Weil ich bin so, ich muss powern. Bis ich dann sage, jetzt ist Schlafen angesagt.
Bei den vielen Ressorts ist das auch nachvollziehbar.
Ich bin Ihnen dankbar dafür. Ich bin der Andrea Falk dankbar, die die Öffentlichkeitsarbeit, die Events plant. Wo wir draußen stehen, AVU-Fest etc. Der ich echt danke, dass sie das macht. Wir haben nächstes Jahr eine Benefizveranstaltung zum 10-Jährigen. Das hat die Andrea auf die Beine gestellt. Ihr werdet euch echt wundern. Und Rüdiger, das ist echt gut.
Holger, was mir persönlich immer unter die Haut geht und mich mitnimmt, ist beispielsweise euer Social-Media-Auftritt. Allein die Facebook-Artikel. Man sieht hier auch, wie oft die geteilt werden. Ihr nehmt den Leser beispielsweise gedanklich mit auf einen Abend. Macht ihr das bewusst? Oder liegt euch das auch am Herzen, wirklich mal mitzuteilen, was ihr tagtäglich macht? Wie wichtig ist euch Social-Media bei eurer Arbeit?
Also der Plan ist tatsächlich, den Menschen mitzunehmen. Aber wir setzen uns jetzt nicht da dran. Das ist nicht jedermanns Sache. Wir haben zwei, drei Leute, die schreiben diese Berichte. Unter anderem ich auch. Und ich kann nur von mir ausgehen. Meistens fahre ich nach meinen Einsätzen. Das schreibe ich dann auch. Heute stand ich mal wieder an der und der Tankstelle. Und schreibe den Bericht direkt danach. Oder ich bin so platt und schreibe den danach im Bett oder so. Und die kommen hier raus. Ich sage immer, ich schreibe meine Berichte, wie ich sie früher gemalt habe. Früher habe ich gemalt mit Acryl und habe gesagt, wenn ich anfange zu malen, schließe ich die Augen. Und dann entsteht ein Bild.Weil das kommt dann halt hier raus. Wenn ich jetzt sagen würde, ich setze mich ins Auto, schreibe einen Bericht und mache die Augen dabei zu. Das ist doof. Das geht gar nicht. Aber es ist halt so im übertragenen Sinne. Du schreibst wirklich das, was du gefühlt hast.Und ich würde so gerne manchmal schreiben, wie es uns dabei geht. Weil wir schreiben ja immer über die Menschen. Aber ich würde echt gerne mal schreiben, wie es uns als Ehrenamt, was wir mitnehmen, was wir verarbeiten müssen etc. Das lasse ich aber. Weil dann kommen irgendwann wahrscheinlich Forderungen, dass die Taschentuchkäufe hochgeflogen sind. Man muss einfach ganz ehrlich dazu sagen, das Privatleben ist null. Ich habe kein Privatleben. Und ich könnte mir auch echt niemanden vorstellen, also in weiblicher Form, die mal sagen würde, vielleicht bin ich ja interessant, aber du schläfst im Bett und morgens geht der Wecker. Es kann passieren, dass ich um ein Uhr ins Bett gehe, um halb zwei klingelt eine Meldung, dann fahre ich raus, komme wieder rein, lege mich wieder ins Bett und das geht drei, vier Mal die Nacht. Wer macht das mit? Niemand. Aber ich habe ganz ehrlich gesagt noch nicht den Mut gefasst, weil ich glaube, das interessiert auch niemanden. Das, was die Menschen wirklich interessiert, ist natürlich, dass wir gesund bleiben, weil wir müssen die Arbeit weitermachen. Aber was die Menschen auch interessiert, ist unsere Arbeit auf der Straße. Und da versuchen wir wirklich …Ich setze mich nicht hin und sage, jetzt schreibe ich denen so und drücke so auf die Tränendüse, dass mir Likes fliegen. Ich setze mich dahin, schreibe das Ding einfach und nachher sind sie geflogen.
Ich finde nur, der Mehrwert ist insofern schön, dass Menschen, die euch wirklich unterstützen, auf welche Art und Weise auch immer, tatsächlich auch jeden Tag nur durch einen Facebook-Post noch mal vor Augen geführt werden, wofür das Geld eigentlich oder die Unterstützung, was damit gemacht wird. Holger, ich möchte mit dir zum Schluss gerne eine Fragerunde machen. Ich werfe ein Wort in die Runde und du sagst mir, was dein erster Gedanke dazu ist.
Stichwort Nacht.
Kalt anstrengend, aber nicht negativ anstrengend. Hilfe leisten.
Luxus
Luxus kann man nicht mitnehmen. Erstmal kann man Luxus nicht mitnehmen, aber Luxus muss ja auch nicht der Ferrari und die 100.000 Euro auf dem Konto sein. Ich sehe meinen persönlichen Luxus, dass ich eine unglaublich tolle Großmutter hatte, dass ich als Mann in der Lage bin, über jeden Scheiß zu heulen und ich sehe meinen Luxus, das ohne jetzt irgendwie anzugeben, aber dass mein Herz halt manchmal echt zu groß ist. Aber ich einfach liebe, was ich tue und ich liebe einfach Menschen, um Menschen zu helfen. Und wenn es das Kind auf der Straße ist, was ich im Winter sehe, sehe ich einfach die Schuhe an, wo ich die Mutter in den Schuhladen schleife und sage, hier, kauf was. Und wenn das Ding 50 Euro kostet, dann halte ich 50 Euro.
Zuhause
Zuhause. Einsam. Dunkel. Kalt.
Der Ennepe-Ruhr-Kreis.
Schöne Wälder.
Zusammenhalt.
Ganz wichtig. Ganz wichtig. Das muss man aber auch akzeptieren lernen und das Vertrauen spielt eine große Rolle. Und Vertrauen in unserer heutigne Gesellschaft, da muss der erst die richtigen Menschen finden, um dann über Zusammenhalt zu reden. Also ich sage mal, unser Verein, unsere Mitglieder, vielleicht das Beste, das soziale Netz, was ich drumherum habe, ist ein guter Zusammenhalt. Aber wenn wir zum Thema Vertrauen kommen, das wird schwierig.
Das letzte Wort wäre Spenden.
Immer wieder gerne.
Auf welche Art und Weise denn am besten, Holger? Wie kann man euch und eure tolle Arbeit am besten, am ehesten unterstützen?
Also wir haben jetzt 235 Quadratmeter Lager und wir haben Restposten hier. Ich glaube mit den Zelten können wir einen Outdoor-Service auch machen. Wir haben unglaublich viele Sachen hier, die, denke ich mal, in den nächsten 1-2 Monaten weg sind, die sind raus, verteilt. Und ja, das kostet Geld. So ein Lager kostet Geld. Sprit kostet Geld. Und wir überlegen, oder sind ernsthaft überlegen, ob wir ein weiteres Lager dazukriegen. Wir sind ernsthaft darum überlegen, ob wir uns noch einen weiteren Transporter hinstellen. Der eine macht halt Sachen, die schwer sind und geliefert werden müssen. Der andere wird so ein Personendingen, wo wir Sachen transportieren können, weil die Kangoos wären zu klein. Es gibt einfach viel zu viel Obdachlosigkeit, dass wir da wirklich alles reintun können. Das sind Überlegungen. Wir haben aber auch ganz andere Ideen. Wir haben schon Ideen gehabt, dass wir vielleicht ein Haus kaufen oder eine Wohnung oder Menschen unterbringen. Aber das sind ungelegte Eier.
Das heißt, die Art der Spende, die euch am ehesten helfen würde, wäre tatsächlich Geld.
Die Familie, die uns anfragt und sagt, wir brauchen ein Bett und eine Matratze. Ja, da hätten wir vielleicht vor einem halben Jahr eine Spende gekriegt. Aber wohin stellen? Die Lagerkapazität. Dann gehen wir lieber ins Poco und kaufen ein Bett. Oder gucken bei Ebay Kleinanzeigen und kaufen ein Bett. Oder die Sachen, die wir da haben. Kleidung zum Beispiel. Wir nehmen absolut null Kleidung an. Da kann man mir die besten Sachen, die dicksten Sachen hinlegen. Wir nehmen keine Kleidung an, weil wir verteilen ausschließlich Unterwäsche. Wenn es richtig kalt wird, verteilen wir tatsächlich Winterjacken, Trainingshosen, Schuhe. Schuhe das ganze Jahr. Aber diese Winterjacken und Trainingshosen bei Minusgraden. Da muss einer vor mir stehen, der keine Klamotten am Leib hat. Kaufen wir aber aus Restposten.
Das Stichwort ist kaufen.
Weil wir früher bei Deichmann für ein Paar Schuhe 30 Euro bezahlt haben, kaufen wir jetzt dafür 60 Paar Schuhe. Wo aber so ein Paar Schuhe die gleiche Qualität haben, wie von Deichmann.
Letztendlich geht es dann wieder um Geld, über finanzielle Mittel, die ihr dann verfügen müsst, um diese Schuhe überhaupt zu kaufen.
Man muss es einfach ehrlich sagen. Es heißt ja manchmal, ihr Geld kommt an. Und zwar bei den Menschen. Das ist gelogen. Früher hätte ich mir gewünscht, dass 80% der Spenden die Menschen erreichen und 20% in die Verwaltung gehen. Das geht nicht. Das schaffst du nicht. Wir haben das letzte Mal erreicht, dass 70% der Spenden angekommen sind und 30% in die Verwaltung gegangen sind. Da stehen Autos vor der Tür. Hier ist ein Lager. Es muss geheizt werden. Wir haben Versicherungskosten, die aber auch wirklich angebracht sind. Und wir haben leider Verwaltungskosten. Aber wir bemühen uns so viel wie möglich an die Menschen, die Hilfe brauchen zu geben. Und wir unterstützen deutschlandweit Vereine, die bei uns im Netzwerk sind. Wenn die Probleme haben, dass sie irgendwas brauchen, dass wir es ihnen geben. In Hagen war die Überschwemmung. Und wir wussten nicht, wo uns der Kopf steht. Da hat uns Oldenburg, Hamburg, so extrem unterstützt. Das ist ein Gemeinsames. Wenn mir heute jemand sagt, aber ich will die Obdachlosen hier unterstützen und nicht in Hamburg. Dann hat die Person Fehldenken. Das ist so ein Wischi-Waschi und Wusel-Wusel. Die sind überall. Und Obdachlosigkeit hat keine Grenzen. Ich war letztens in Berlin, weil ich auf den Bundestag eingeladen war. Da habe ich den Obdachlosen 50 Cent gegeben. Weil da lagen noch 100 andere. Wenn ich denen auch alle 50 Cent gebe, bist Du arm! Berlin ist eine ganz andere Ausnahme. Aber die 50 Cent hätte man jetzt auch in Hagen jemanden geben können. Und das ist eine doofe Aussage.
Holger, wir könnten noch über so vieles sprechen. Mir war wichtig, die Ressource anzusprechen. Nächstes Jahr werdet ihr 10 Jahre alt. Ich danke dir vielmals, dass du dir die Zeit genommen hast, unseren Lesern und Zuschauern diese Fragen zu beantworten. Euch alles Erdenklich Gute.
Darf ich noch was sagen?
Selbstverständlich.
Wenn Fragen sind, anrufen. Egal wann, ich bin ja immer wach. Einfach fragen. Auch wenn ihr meint, da liegt einer, was mache ich damit? Ruft an, wir geben euch eine Antwort. Wir sind zwar im Obdachlosenbereich nur nachts unterwegs, aber wir können auch tagsüber sprechen. Was uns wichtig ist, wir halten Vorträge. Genau über dieses Thema. Wenn ihr Arbeitgeber seid, wo wir es auch online machen, oder Lehrer in der Schule, oder Gemeinderatsvorsitzender, oder irgendwas, wir halten auch Vorträge in der Garage.Wichtig ist, dass wir Vorträge halten. Da geht es dann um solche Themen. Es geht um unsere Erfahrungen. Ich garantiere jedem, der zu unseren Vorträgen kommt, ihr braucht euch Taschentücher.
Holger, vielen lieben Dank. Macht einfach weiter so.
Spenden:
UNSICHTBAR e. V.
IBAN: DE97 4545 0050 0000 0218 32
BIC/SWIFT: WELADED1GEV
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Unsichtbar e.V.
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