Interview mit Uli Auffermann

Interview mit Uli Auffermann

🕓 Lesezeit circa 9 Minuten

Der Artikel „INTERVIEW MIT ULI AUFFERMANN – „Irgendwie habe ich das Gefühl gehabt, ich muss meine Heimat mal so zeigen, wie sie eigentlich ist“ erschien in der EN-Aktuell 01/24. In der Zeitschrift ist nur ein gekürzter Teil des Interviews zu lesen. Das komplette Interview finden Sie hier – zum Anschauen, Anhören oder Lesen.

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„Irgendwie habe ich das Gefühl gehabt, ich muss meine Heimat mal so zeigen, wie sie eigentlich ist“

Diesmal haben wir mit dem Fotografen und Autor Uli Auffermann gesprochen, der zwar in Bochum und nicht direkt im EN-Kreis lebt, die ganze Region aber im Herzen trägt. Er hat nicht nur Wanderführer und Bildbände über unsere Heimat herausgebracht, sondern präsentiert gerade auch wunderbare Fotografien in einer Ausstellung in der Gemüsescheune Elfringhausen in Hattingen. Firat Demirhan hatte ihn dort getroffen, um mit ihm über seine Arbeit, die Heimat und das Leben zu sprechen.

Ein Interview von Firat Demirhan

Was war als Kind Dein Traumberuf? Fotograf? Autor? Journalist? Oder doch Bergsteiger?
Bergsteiger, ganz definitiv. Das geht tatsächlich auf die ganz frühe Kindheit zurück. Ich habe eine kleine, lustige Geschichte: An einem langweiligen Regentag, vielleicht war ich fünf, also noch nicht in der Schule – ich konnte noch nicht lesen, das weiß ich noch – habe ich ein Buch im Bücherschrank meines Vaters gefunden. Das war von dem berühmten alten Luis Trenker. Das war mehr ein Bildband als ein Textband. Wunderbare Schwarz-Weiß-Fotos! Und die haben mich so angesprochen. Wir fuhren damals schon immer raus, wandern und auch in die Berge, aber das verknüpfte sich dann und ab da war der Keim gelegt.

Du warst auch eng mit einer echten Bergsteigerlegende befreundet und hast sogar eine Biografie über diesen großen Bergführer geschrieben. Wie viel Anteil hatte er an Deiner Leidenschaft?
98 Prozent.

War er Dein Mentor?
Ja, kann man so sagen. Auf jeden Fall! Es war auch eine frühe Begegnung. Wir fuhren damals immer nach Tirol. Ich hatte einen gleichgesinnten Jugendfreund und einen in Kletterkreisen berühmter Hüttenwirt, wo wir hausten. Wir durften dann immer die Ferien über da oben sein. Das war der beste Freund von Anderl Heckmair aus den 20er, 30er Jahren. Da gab es dann plötzlich eine Verbindung. So richtig los ging es dann als ich selbst mobiler wurde, vielleicht mit 18 oder so. Ab da war es ganz nah.

Ich denke, die meisten unserer Leser kennen Dich vor allem als Fotograf und einige haben sicherlich auch schon mal einen Bildband oder Wanderführer von Dir in den Händen gehalten. Wie würdest Du selbst Deinen fotografischen Stil in nur wenigen Worten beschreiben?
Ich sag mal ganz abgehoben: ein unglaublich selektives Wahrnehmen. Von ganz früh an habe ich immer spontan fotografiert. Die Ausschnitte, die ich sehe, berühren mich irgendwie, fassen mich an. Zusammengefasst kann man vielleicht sagen: meine Bilder spiegeln meine Insicht und die Außensicht bietet mir an, das zu verknüpfen. Das ist so der Hintergrund. Ich bin kein Typ, der sich lange mit einem Stativ auf die Lauer legt, sich einen großen Plan macht und darauf achtet, dass das Licht zu 100 Prozent stimmt. Es ist mehr der Augenblick, der für mich zählt, ich weiß gar nicht, ob die Bilder gefallen, ich kann aber nicht anders.

Wir sind gerade in einer Ausstellung von Dir. Was hat es mit dieser Aufstellung auf sich?
Ich sag mal so: aus der Bergsteigerei hat sich irgendwann die Heimatliebe noch einmal ganz stark herauskristallisiert. Wir sind früher auch schon hier viel geklettert und deswegen bin ich im Umkreis viel rumgekommen. Die ganze journalistische Arbeit bezieht sich auch viel auf Landschaften, und irgendwie habe ich das Gefühl gehabt, ich muss meine Heimat mal so zeigen, wie sie eigentlich ist. Das zentrale Ruhrgebiet hat ja einen anderen Ruf, ist ja für viele immer noch mit Kohlenstaub bedeckt, was ja lange nicht mehr stimmt. Wir haben fantastische Landschaften hier. Von den Autobahnen ab und in 2-3 Minuten ist man im Großen und Ganzen direkt in der Natur.

Korrigier mich, wenn ich etwas Falsches sage. Du wohnst in Bochum.
Auch.

Du kennst Dich bei uns im Ennepe-Ruhr-Kreis super gut aus. Ist es ein gutes Fleckchen, um zu wandern, in die Natur zu gehen und diese Eindrücke auf sich wirken zu lassen?
Auf jeden Fall, wo wir hier gerade sind, in der Elfringhauser Schweiz, das ist im Grunde umschlossen von den großen Städten Wuppertal, Bochum, Essen, Hattingen, Velbert und so weiter. Das ist alles eingekesselt wie ein riesiger großer Park, traumhafte Landschaft. Ich habe mal einen Führer über das Bergische geschrieben und das dann auch so integriert, weil das ja schon an die Nahtstelle geht. Und immer, wenn ich dann wieder zurückkam aus dem Oberbergischen – nachts ist das auch fantastisch schön – bleibe ich auch. Aber im Grunde ist das ganze südliche Hügelland, also alles, was südlich der Ruhr ist, fantastisch zum Wandern.

Auf Deiner Homepage hast du eine kleine Auswahl von Fotos. Kannst Du sagen, was war das Verrückteste, das Du jemals gemacht hast, um ein bestimmtes Foto zu schießen? Fällt Dir da spontan was ein?
Ja, das hat dann mit Bergsteigen zu tun. Ich wollte einen Kollegen fotografieren und seilte mich in ganz verrückter Art und Weise ab, mit einem hängenden Quergang. Da gab es unheimlich viel Zug und das war körperlich das Anstrengendste. Ansonsten habe ich mal Gewitter fotografiert. Das sollte man eigentlich nicht tun, bei Gewitter draußen sein, und das war, was mein Leben angeht, dann eher grenzwertig. Aber es gibt viele Momente, ich würde gar nicht so einen besonderen herausgreifen. Es geht eigentlich immer darum, was mit meinem Gefühl passiert und da sind Sachen bei, die sind jetzt für einen Außenstehenden stinklangweilig. Aber in dem Moment, als ich das gesehen habe oder fotografiert habe, da war was ganz Besonderes in mir.

Könntest Du sagen, was das Emotionalste war, was Du jemals fotografiert oder geschrieben hast?
Die Biografie über Anderl war auf jeden Fall emotional durch die enge Freundschaft. Da gab es natürlich auch Momente, es gab ja Berührungspunkte mit Leni Riefenstahl und Hitler und so weiter, und das auch gut auszugleichen, so dass da keine falschen Eindrücke entstehen. Durch die Enge wusste ich sehr viel darüber und konnte es gut beurteilen. Dann habe ich ein Kompendium über den Alpinismus geschrieben, der ist sehr sehr gelobt worden. Das war tief emotional, weil ich da im Grunde mein ganzes Leben abgebildet habe mit den Eindrücken der Persönlichkeiten, die ich alle kennengelernt habe.

Die Biografie über Heckmair, kann man da sagen, dass das auch eine Hommage an ihn ist?
Ja, auf jeden Fall. Also ich würde die nicht unter der objektiven Brille eines Biografen sehen, das verleugne ich auch gar nicht. Natürlich ist da Hommage und Freundschaft immer drin.

Zurück zur Fotografie. Thema Künstliche Intelligenz. Ist das eine Gefahr für Fotografen und auch Autoren? Wie ist Deine Meinung dazu?
Es ist wie immer Fluch und Segen. Es gibt, ich bin da nicht so drin, wahrscheinlich sehr gute Möglichkeiten, die Fotografie auch technisch weiterzuentwickeln. Beim Schreiben tue ich mich schwer, da werde ich sehr altbacken. Das ist alles eher so eine innere Wertschöpfung und wenig von außen. Ich kann mir aber trotzdem vorstellen, gerade wo viel geschrieben wird, auch objektiv viel geschrieben wird, Öffentlichkeitsarbeit und so, dass da vieles sich sehr beschleunigen wird, also da ist es Segen. Ich persönlich bin ja eher konservativ in der Richtung. Mein Herz schlägt immer noch für die analoge Fotografie, auch wenn man das nicht mehr großartig macht. Das ist dann schwierig, mich persönlich subjektiv zu fragen. Dennoch glaube ich, dass es viel gute Sachen bringen wird, man muss nur aufpassen, dass man es auseinanderhält.

Ob an Deinen Fotos, Deiner Leidenschaft des Kletterns oder auch an Deiner Liebe zum Wandern, es ist unübersehbar, dass Du gerne in der Natur bist, das macht Dich ja quasi aus. Du hast die Frage zum Teil schon beantwortet, aber was reizt Dich am meisten an der Landschaft an unserer Heimat, und was lösen die Berge bei Dir aus, zu denen es Dich ja immer wieder zieht?
Also ich versuche das mal auf so einer Metaebene zu erklären. Bergsteigen ist ein Zufallsprodukt in meinem Leben, ich hätte auch Segler werden können, wenn man so will. Das hatte viel mit dem Buch zu tun. Dann hatte ich eine Tante, die mir bestimmte Örtlichkeiten bezeichnet, also die Eiger-Nordwand zum Beispiel schon ganz früh, was ja dann später noch zu dieser Verbindung mit Anderl führte. Ich würde sagen, es ist vor allen Dingen eine Lebenshaltung, ein Lebensgefühl. Es ist kein Sport, es ist kein Hobby, jedenfalls für mich nicht. Ich bin auch dem traditionellen Alpinismus, also dem echten Abenteuer-Alpinismus verhaftet, das heißt, es ist ein Gefahrenraum, und es geht immer darum, diese Gefahren zu minimieren und so würde ich es auch auf das Leben übertragen. Also wie gesagt, ich hätte alles machen können. Insofern, ob ich hier in der Heimat bin und mir einen neuen Weg suche, direkt vor der Haustür, wo ich vielleicht täglich daran vorbeifahre, macht mich genauso neugierig und manchmal genauso enthusiastisch wie einen großen Berg neu zu entdecken.

Ich hatte dir vorhin erzählt, dass meine Tochter ein Auge für die Fotografie hat, vor allem in Bezug auf die Natur. Wie könnte man Kinder in Verbindung mit Fotografie und Natur ermutigen oder unterstützen?
Auf jeden Fall Kameras zur Verfügung stellen, das können ja auch ganz einfache, gebrauchte sein. Neugierig machen, also viel rausgehen, und dann einfach machen, machen, machen lassen. Die Fragen kommen dann von ganz alleine. Papa, warum kann ich da hinten den Hintergrund nicht scharf sehen oder ich sehe die Blume unscharf, dann kann man immer einen kleinen Input geben, wie es technisch geht.

Aber ich glaube, da zieht auch das Zitat „Die Natur ist der größte Spielplatz“. Das ist nicht nur für Kinder so, sondern auch für große Kinder.
Unbedingt, ja. Ich merke das auch bei meiner Fotografie. Ich fotografiere für mich persönlich, was sich manchmal jetzt auch in Ausstellung zeigt, Schwarz-Weiß sehr gerne. Auch Menschen. Aber es ist immer dieselbe Herangehensweise, stelle ich fest, wie die Naturfotografie. Es ist selektiver Augenblick, sehr schnell, sehr spontan sein, was festhalten, was mich gerade berührt. Das kann eine Millisekunde sein. Und nicht überlegen, nichts stellen, das ist nicht so meine Sache. Das ist Natur, Natur wechselt ständig das Wetter, ständig die Lichtverhältnisse.

Es wird auch nie langweilig.
Nein, überhaupt nicht.

Du hast eine riesenlange Vita und Du hast schon einiges zu Werke gebracht, gibt es noch etwas, was Dich reizt oder was Du unbedingt noch auf Deiner Bucket List abhaken möchtest?
Ja, auf jeden Fall die Schwarz-Weiß-Fotografie. Belletristik zu schreiben. Ich habe gerade ein Geschichtsbuch veröffentlicht, was, sage ich mal, sehr gut ankommt, weil es auch anstrengend ist und fordernd. Das ist so was. Vielleicht den großen Roman, das würde ich gerne machen.

Wir machen zum Abschluss eine Fragerunde. Ich werfe Wörter in den Raum und Du sagst mir, was Dir als Erstes dazu einfällt.
Ennepe-Ruhr-Kreis
Toll! Tolle Menschen vor allen Dingen, großartige Städte, kulturell sehr viel und landschaftlich natürlich auch. Natur ist auch da. Das ist eine ganz große Melange aus vielen Dingen, die mich begeistern.

Die Alpen
Die Alpen sind innere Heimat, das kriege ich nicht raus. Wenn ich nach einer langen Computerrunde im Fernsehen einen Zufallsbericht über irgendwas von den Alpen sehe, dann schlägt mein Herz gleich höher.

Der Wald
Wald ist ein absolut super Rückzugsort. Bringt Ruhe. Heute ist der Begriff Achtsamkeit ein großes Thema. Also ich merke, wenn ich eine lange Autobahnfahrt hinter mir habe, zwei Minuten Wald und alles ist wieder gut, alles ist im Lot.

Erfolg
Ist mir nicht wichtig, ehrlich gesagt. Passiert oder passiert nicht. Ich glaube, dass es wichtig ist, auf sich zu hören, seine Stimmung auszuleben, seine Selbstberufung zu finden. Erfolg stellt sich als Kollateralschaden ein – oder nicht, wenn man Pech hat.

Instagram
Fremde Welt. Du hast ja eben Aylin kennengelernt, sie macht das für mich. Man muss wahrscheinlich irgendwie ein bisschen mitmachen, aber das ist genau das andere Ende. Ich mache das nicht schlecht, das ist eine ganz andere Generation. Ich kenne Leute in meinem Alter, die mögen noch nicht mal Computer bedienen oder ein paar E-Mails schreiben. Das hat auch damit zu tun, aber ich glaube, dass die Gefahr von Instagram und anderen Social Media darin liegt, dass die Menschen sich entäußern Das heißt, wenn sie überlegen, wenn ich das und das abbilde oder das und das tue, dann habe ich ein gutes Gefühl. Das ist gefährlich. Gutes Gefühl entsteht, wenn man das macht, was in einem entsteht.

Freundschaft
Freundschaft ist extrem wichtig. Das würde ich so sagen. Also ich denke mal, alle Dinge des Lebens, die irgendwie bereichernd sind, treten hinter Freundschaft zurück. Das ist, glaube ich, mit das Zentralste überhaupt, ich habe da großes Glück gehabt.

Zum Abschluss: Glück
Glück ist das, was ich gerade schon ausgeführt habe: wenn ich die Möglichkeit habe und die Lust empfinde, Dinge zu tun, die in mir entstehen, die mich begeistern, die meine Gefühle nach außen bringen und von außen wieder nach innen. Das ist für mich Glück.

Ich glaube, das können wir so stehen lassen. Uli, vielen lieben Dank!

 

www.uliauffermann.de
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