Der Artikel „Interview mit Klaus Fiukowski“ erschien in der EN-Aktuell 07/18. In der Zeitschrift ist nur ein gekürzter Teil des Interviews zu lesen. Das komplette, ungekürzte Interview finden Sie hier – zum Anschauen oder Lesen.
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Interview mit Klaus Fiukowski:
„Um sowas zu machen, muss man
auch ein bisschen verrückt sein!“
Hallo Herr Fiukowski, es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, ein paar Fragen zu beantworten. Sie hatten gesagt, wir dürfen Sie Fiu nennen?
Ja, Fiu reicht. Fiukowski ist schwer auszusprechen, darum dürfen Sie mich Fiu nennen.
Wir sind jetzt hier in Ihrem Filmriss Kino. Wenn man das Wort „Kino“ hört, denkt man automatisch an Filmtheater. Ihr Kino ist aber ein bisschen mehr als das, oder?
Ja, aber im wahrsten Sinne des Wortes ein Film-Theater, denn wir haben eigentlich beides. Wir haben eine Leinwand, auf der wir Filme zeigen. Diese Leinwand lässt sich aber elektrisch anheben, und dahinter verbirgt sich eine Bühne. Auf der Bühne gibt es natürlich ein entsprechend anderes Programm, von Theater über Kabarett bis hin zu musikalischen Veranstaltungen.
Wer entscheidet, welches dieser Programme auf die Bühne kommt?
Das mache ich selber, in Zusammenarbeit mit meinen Kollegen.
Sie engagieren sich auch für Projekte. Gibt es Projekte, die Ihnen ganz besonders am Herzen liegen? Ich denke beispielsweise an Leselust oder an die Aktionswoche „Gevelsberg für Zivilcourage und gegen rechte Gewalt“. Wie ist es dazu gekommen?
Manche Dinge ergeben sich von ganz alleine. Zum Thema Leselust: seit fast 15 Jahren beteiligen wir uns an diesem Projekt; ein Projekt, das vom Ministerium gefördert wird und an dem verschiedene Städte aus dem Kulturgebiet Südwestfalen teilnehmen. Schwerpunktmäßig ist es die Stadt Hagen, aber auch Städte wie Lüdenscheid, Meinerzhagen etc. nehmen daran teil. Wir sind relativ von Anfang an dabei und bieten Lesungen mit Buchautoren, Kabarett-Veranstaltungen und Filme an, die eine literarische Vorlage haben. Wir wenden uns damit an Kindergärten, an Grundschulen und an die weiterführenden Schulen.
Sie sind ursprünglich Hagener?
Ich bin gebürtiger Hagener, lebe auch in Hagen, bin aber seit Beginn meiner beruflichen Laufbahn 1983 hier in Gevelsberg bei der Stadt Gevelsberg beschäftigt und dort im Kinder- und Jugendbereich tätig.
Wie entstand die Idee mit dem Filmriss Kino?
Also den Filmriss selber, den gab es früher vor fast 30 Jahren mal als Verein. Den haben wir gegründet, weil wir als Hagener mit dem dortigen Kinoprogramm nicht so zufrieden waren. Wir haben dann in Hagen den Filmriss e.V. gegründet und haben mit anderen Menschen zusammen in Hagen das heutige Kulturzentrum Pelmke Schule aufgebaut. Dort haben wir das Filmriss Kino installiert, was heute allerdings als Kino Babylon weitergeführt wird. Irgendwann ist aus diesem Verein, Leute gehen eben auseinander, die Idee entstanden, eine kleine Firma zu gründen, die ich mit meinem leider verstorbenen Freund seinerzeit gegründet habe. Ich habe immer hier in Gevelsberg gearbeitet und in Gevelsberg auch das eine oder andere Filmprojekt gemacht. Mein Ex-Bürgermeister sagte immer,. „Willst du nicht auch hier bei uns mal ein Kino aufmachen?“. Da dachte ich, das funktioniert nicht, weil das wirtschaftlich eigentlich eine Katastrophe ist, das kann man nicht machen. Aber irgendwann bin ich dann doch dazu gekommen, als Untermieter eines Boulevard-Theaters, das hier in diesen Räumlichkeiten gestartet hat, mit einem Kino anzufangen. Mittlerweile mache ich es ganz alleine.
Die Kommunen möchten ihren Bürgern für gewöhnlich so viele Kulturangebote wie möglich anbieten, leider scheitert das oft an den klammen Kassen. Wie haben Sie es in den letzten Jahren geschafft, solch ein großes Kulturangebot nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern auch noch zu vergrößern?
Zum einen braucht man recht viel Liebe zu diesem Genre. Und um so etwas zu machen, muss man auch ein bisschen verrückt sein! Meine Firma „Filmriss Projektkino und Veranstaltungsservice“ besteht eben nicht nur aus diesem Haus, sondern wir machen auch andere Dinge. Wir vermieten Bühnen, Licht- und Tontechnik, wir haben von der Hüpfburg bis zum Geschirr alles in einer Vermietung, was ein Fest braucht. Damit verdienen wir in erster Linie unser Geld. Dieses Haus hier ist in der Tat eher eine Liebhaberei. Ich bin immer froh, wenn wir hier eine schwarze Null schreiben. Der zweite Punkt, wie man so etwas finanzieren und machen kann, ist über Projekte wie Leselust. Da besteht immer wieder die Möglichkeit, an Fördermittel heranzukommen. So gibt es dann eine Mischfinanzierung und man versucht, sich über Wasser zu halten.
Wenn Sie rückwirkend die letzten Jahre Revue passieren lassen, gibt es Auftritte von Künstlern, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Da gibt es so unheimlich viele Sachen, die man vielleicht nennen könnte, aber ich möchte da jetzt nichts Besonderes hervorheben. Was ich besonders schätze, das sind zum Beispiel die Figurentheater-Veranstaltungen, die wir seit jetzt fast dreieinhalb Jahren machen. Einmal im Monat treten Figurentheater-Ensembles hier auf, bei denen gerade die ganz kleinen Gäste, die Vorschulkinder, ein Angebot bekommen. Eine andere Sache, die vielleicht noch erwähnenswert wäre: wir haben vor einigen Jahren einen Film gezeigt, der sich inhaltlich mit einem Chor beschäftigt hat, der aus alten Menschen bestand, die in der Regel nicht singen konnten, die aber Pop und Punk und Heavy Metal gesungen haben. Damals haben einige Menschen gesagt, wenn es hier so einen Chor geben würde, da würden wir auch mitmachen. Und diesen Chor gibt es mittlerweile auch hier, das ist der Filmriss-Chor, der trifft sich einmal in der Woche und probt hier. Da sind Menschen dabei, die keine Noten lesen können, die auch nicht in den Männer- oder Kirchenchor wollen, sondern einfach Lust am Singen haben. Die sich zusammengefunden haben und die nach wie vor hierhin kommen. Und dass dieses Haus so etwas möglich macht, das finde ich irgendwie sehr schön.
Sie haben in Ihrem Kino ein ganz besonderes Interieur. Ist das eine Leidenschaft von Ihnen, oder haben Sie das so übernommen?
Nein, das habe ich in der Tat selber hergestellt insofern, dass ich zum einen begeisterter Sammler von Keramikdosen, sprich Bonbonnieren, bin, und meine Frau dann irgendwann gesagt hat, jetzt kaufst du keine mehr, sonst schmeiße ich dich raus. Da habe ich zum Glück das Kino gehabt mit genügend Platz und habe die dann entsprechend in den Vitrinen ausstellen können. Und hinzu kam dann, dass hier das Ganze natürlich mit Leben gefüllt werden musste. Und dann kamen die Blechdosen dazu. Dann war es in der Tat so, dass ich ein paar Blechdosen hingestellt habe und dann ist sowas wie eine selektive Warnung, Sie sehen dann auf einmal nur noch Blechdosen! Dann wurden das immer mehr und je mehr das wurden, umso mehr Spaß hatten auch die Leute, die hier zu Besuch kommen. Und mittlerweile bringen auch diese Leute teilweise ihre Dosen mit und sagen, wenn die hier stehen, dann haben sie ein schöneres Zuhause, als wenn sie bei mir irgendwo im Keller in der Ecke liegen. So werden es immer mehr.
Gibt es für Sie persönlich noch Ziele, oder irgendwelche ambitionierten Träume, die Sie noch gerne erleben möchten?
Was heißt Träume?! Im Grunde geht es mir darum: wir sind seinerzeit als Verein angetreten und haben gesagt, wir wollen ein Kinoprogramm machen, in dem es in erster Linie um Inhalte geht und weniger um Kommerzialität. Nur ist das natürlich eine sehr hehre Geschichte! Ohne Geld läuft halt nichts, wir müssen natürlich auch schauen, dass die Wirtschaftlichkeit läuft. Aber nichtsdestotrotz denke ich, dass ich Kino machen möchte, was nach wie vor die Möglichkeit gibt, zum Beispiel Gruppen, die irgendwelche Inhalte transportieren, medial zu unterstützen. Da gibt es zum Beispiel eine Reihe, die nennt sich „Kirchen und Kino“. Wir zeigen Filme, die unter anderem mit Lebens- und Glaubensfragen zu tun haben. Wir haben jetzt gerade aktuell den Film „Draußen“ gezeigt, der sich um die Situation von Obdachlosen kümmert in Kooperation mit dem Verein Unsichtbar e.V.. Nächsten Monat gibt es den Welthospiztag und wir zeigen Filme zum Thema Sterben und Hospiz. Diese Art von Kino oder Filmarbeit, die möchte ich gerne weiterführen. Damit es nicht nur auf der Leinwand etwas gibt, sondern dass es auch die Möglichkeit gibt, dass Menschen, die sich mit den Inhalten, die dort in den Filmen gezeigt werden, auseinandersetzen. Dafür sollte dieses Haus stehen.
Ist Wirtschaftlichkeit auch ein Grund, dass man eher schauen muss, in welche Nische man geht, weil man mit Blockbustern mit den großen Filmtheatern nicht mithalten kann?
Nein, das ist zumindest nicht meine Geschichte. Meine Geschichte ist in der Tat die, dass ich aus genau dieser Art Kino- und Filmarbeit komme. Es war so, dass mir der Inhalt immer schon sehr wichtig war, und als ich in diesem Haus angefangen habe war klar, dass ich selbstverständlich nicht drei Säle haben kann. Hier hast du nur einen Saal, und du hast hier die Möglichkeit, nur einen Film pro Woche zu zeigen. Und es war von vornherein klar, dass wir sowas wie ein Programmkino und Arthaus-Kino machen wollen, und das ist natürlich dann eine andere Programmauswahl als eben Mainstream-Kino, wo die Programmvielfalt nicht mehr da ist. Nichtsdestotrotz, nicht dass das jetzt so klingt, als wenn hier nur ernste Sachen laufen würden; hier wird gelacht, hier gibt es Komödien, hier gibt es die ganze Bandbreite an Filmen, die man sich vorstellen kann.
Wollen Sie uns einen kurzen Überblick darüber geben, was in diesem Jahr im Filmriss Kino noch alles ansteht?
Es gibt einen Auftritt mit Lioba Albus, das ist eine Kabarettistin aus dem Dortmunder Bereich, die schon mehrfach bei uns hier gewesen ist. Dann gibt es einen Auftritt von Kent & Mense-Moritz, auch zwei Kabarettistinnen, die das erste Mal hier sein werden. Wir werden noch eine Schallplatten-Börse hier haben und diverse Figurentheater-Veranstaltungen, die noch bis Ende des Jahres laufen. Vielleicht noch ganz interessant: Marc Weide, unser Zauberweltmeister, der zweimal im Jahr mit seiner Mixed-Show hier bei uns gastiert, wird jetzt im Oktober noch einmal hier sein, und wird vor Weihnachten auch noch eine Weihnachtsshow präsentieren.
Zum Schluss noch eine Frage, die wir allen Interviewpartnern stellen. Gibt es einen Ort im EN Kreis, den Sie besonders mögen, wo Sie besonders gut abschalten können?
Abschalten würde ich nicht sagen, aber ich bin wirklich total gerne am Ennepebogen bei uns in Gevelsberg. Einfach, weil ich diesen Ort seit vielen Jahrzehnten kenne. Auch schon zu einer Zeit, als ich noch gar nicht in Gevelsberg gearbeitet habe und das alte AVU-Kraftwerk noch dort stand. Es hat damals einen großen Schotterplatz davor gehabt, auf dem eine Pommesbude stand. Und wenn ich über Jahrzehnte sehe, wie sich dieser Ort verändert hat, und was da heute an Aufenthaltsqualität und auch an anderen Aktivitäten läuft, dann freue ich mich jedes Mal, wenn ich da vor Ort bin. Nicht zuletzt deshalb, weil ich es eben sehr schön finde, wenn es eine Stadt ermöglicht, Orte zu schaffen, an denen auch der Zugang zu Wasser gewährleistet ist. Deshalb ist das für mich einer der schönsten Orte bei uns in der Stadt.
Ein wunderbarer Abschluss, ich danke Ihnen vielmals für das Interview.
Im Interview mit Firat Demirhan
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