Interview mit Claus Kaiser

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Der Artikel „Interview mit Claus Kaiser – „Der Rheinländer sagt: Et hätt noch emmer joot jejange. Bei uns ist es genauso und bei allen Nachbarschaften auch.“ erschien in der EN-Aktuell 06/17. In der Zeitschrift ist nur ein gekürzter Teil des Interviews zu lesen. Das komplette, ungekürzte Interview finden Sie hier – zum Anhören oder Lesen.

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Interview mit Claus Kaiser

„Der Rheinländer sagt: Et hätt noch emmer joot jejange. Bei uns ist es genauso und bei allen Nachbarschaften auch“

Kurz vor dem Heimatfest in Schwelm haben wir uns in den Nachbarschaften umgesehen und konnten Claus Kaiser von der Nachbarschaft „Zum roten Wasser“ zu einem Interview gewinnen, der dort Schriftführer und Pressewart ist – nach eigenen Angaben „zuständig für das Feine, weil handwerklich völlig unbegabt“.

Jeder Teil der Stadt Schwelm hat eine Nachbarschaft, die zu einem gelungenen Heimatfest beiträgt. Zu welcher Nachbarschaft gehörst Du und welche Aufgabe hast Du dort?

Ich bin seit einigen Jahren Mitglied bei der Nachbarschaft „Zum roten Wasser“ und bekleide dort das Amt im Vorstand des Schriftführers und des Pressewarts. Ich kümmere mich um Dinge wie Pressetermine usw. Und es macht mir auch viel Spaß.

Woher stammt der Name „Zum roten Wasser“?

Es ist so, dass Schwelm in früheren Zeiten einen Eisenerz-Tagebau hatte. Es gab riesige Abraumhalden, die auch rötliche Erde beinhalteten, die aufgeschichtet war. Daher der Name „Rote Berge“. Jeder in Schwelm kennt den Begriff „Rote Berge“. Ich gehe einfach einmal davon aus, dass Regenwasser, Spülwasser usw., also alles, was dort ausgeschwemmt worden ist, das Wasser rot gefärbt hat. Und dass sich daher der Name der Nachbarschaft „Am roten Wasser“ ableitet, das hat also mit dem Eisenerz-Tagebau in vergangenen Zeiten in diesem Stadtteil Schwelms zu tun.

Du sprichst von alten Zeiten, wann wurde denn „Zum roten Wasser“ gegründet, wie lange gibt es die Nachbarschaft schon?

Wir stehen kurz vor unserem 80-jährigem Jubiläum, das heißt 1938 wurde unsere Nachbarschaft gegründet. Das heißt genau genommen war es eine Vor-Organisation der jetzigen Nachbarschaft, damals wurde die Nachbarschaft unter dem Namen „Am Roten Wasser“ gegründet und hatte bis in die 60er Jahre hinein bestand. Dann gab es einmal eine Zeit in der die Mitgliederzahl sank, es gab also nicht mehr genug Aktive. Das heißt, das Nachbarschaftsleben kam also mehr oder weniger zum Erliegen und ist erst ich glaube 1968/69 wieder ins Leben gerufen worden. Dann unter dem neuen Namen „Zum roten Wasser“. Und unter diesem Namen gibt es sie heute noch. Unter Berücksichtigung unserer Vorgänger-Organisation freuen wir uns auf nächstes Jahr, dem 80-jährigen Bestehen unserer Nachbarschaft.

Kannst Du uns auch etwas zu den Namen der anderen Nachbarschaften sagen?

Ich kann es zumindest versuchen. Letztendlich ist es so, dass diese Nachbarschaften in den jeweiligen Stadtteilen oder Stadtbezirken in Schwelm gegründet worden sind. Ich versuche einmal ein paar Beispiele herauszunehmen. Da gibt es den Bereich Fronhof und es gibt auch die Nachbarschaft Fronhof. Fronhof ist der älteste Teil von Schwelm und man kann den Namen der Nachbarschaft eindeutig von daher ableiten. Genauso ist es beispielsweise bei der Nachbarschaft Ossenkamp. Es gab da einmal einen Bereich am westlichen Rande von Schwelm, da waren riesige, soweit ich das aus Geschichtsbüchern weiß, Ochsenweiden. Ossenkamp! Und daher leitet sich dieser Name ab. Winterberg ist auch ein Stadtteil in Schwelm und eine Nachbarschaft. Dann haben wir „Aechte de Muer“. „Aechte de Muer“ ist Platt und bedeutet letztendlich nichts anderes wie „Hinter der Mauer“. Also ein Bereich, der irgendwann einmal vor der Stadtmauer gelegen haben muss. Und so leitet jede Nachbarschaft letztendlich seinen Namen durch den jeweiligen Stadtbezirk ab. Da gibt es noch „Möllenkotten“, es gibt „Linderhausen“, es gibt „Oehde“, wie gesagt, das sind alles Ableitungen aus den jeweiligen Stadtbezirken, die sich dann bis heute in den Namen der jeweiligen Nachbarschaften auch widerspiegeln. Genau wie bei uns: „Am Roten Wasser“ hat ja auch seinen geschichtlichen historischen Bezug.

Die Mitglieder der Nachbarschaften werden häufiger in einem blauen Kittel, einem rotes Halstuch und mit einer schwarzen Mütze gesehen. Was hat es mit dieser Kleidung auf sich?

Die geschichtliche Bedeutung, also wie das alles entstanden ist, da bin ich leider auch überfragt, das muss ich zugeben. Soweit ich weiß, gibt es da auch noch keine abschließenden, letztendlich allgemein gültigen Erklärungen dafür. Man kann es allgemein ausdrücken. Dieser Blaukittel in Verbindung mit dem roten Halstuch und auch die schwarze Kappe, die dazu gehört, ist eine westfälische Tracht, die man nicht nur bei uns in Schwelm findet, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen bis hinein ins Münsterland. Eine westfälische Männertracht, die mittlerweile auch hier bei uns in Schwelm von Frauen getragen wird. Wir sehen diese Blaukittel meist zu offiziellen Anlässen rund ums Heimatfest, sowie rund ums Nachbarschaftsleben und dort werden sie auch sehr gerne getragen. Es gibt auch unterschiedliche Halstücher, mit Streifen, mit Punkten, alles hat eine unterschiedliche Bedeutung und eine besondere Wichtigkeit. Eigentlich eine sehr schöne Tracht, und ich denke einmal alle Trägern, die diese Blaukittel tragen, haben Spaß daran, diese Tradition ein wenig aufrecht zu erhalten.

Wie verstehen sich die dreizehn Nachbarschaften untereinander? Ist man sich freundschaftlich gesinnt oder wird mit harten Bandagen gekämpft, um mit seiner Nachbarschaft Sieger des Heimatfestzuges zu werden?

Das ist, ich sag mal so, ein ganz klein bisschen brisantes Thema. Natürlich herrscht da eine gewisse Konkurrenz, jeder will natürlich mit seinen Beiträgen möglichst weit vorne landen. Und wenn das Heimatfest vorbei ist und die Siegerehrung vorbei ist, gibt es schon einmal das eine oder andere enttäuschte Gesicht. Man bezweifelt die Gerechtigkeit der Bewertung usw. Aber, und das ist das Entscheidende, im Großen und Ganzen herrscht unter den Nachbarschaften eine gute, freundschaftliche Stimmung. Es gibt Nachbarschaften, die enger befreundet sind, es gibt Nachbarschaften, wo es dann eher weniger Kontakte gibt, aber im Großen und Ganzen finden sich dann alle wieder in der Dachorganisation der Nachbarschaften, der DACHO. Es macht dann schon Spaß. Man hilft sich auch gegenseitig. Wenn irgendeine Nachbarschaft einmal in eine Schieflage gerät, aus welchen Gründen auch immer, hilft man sich gegenseitig. Man hilft sich aus mit Werkzeugen, man hilft sich aus mit allem Möglichen, auch wenn es mal um Personal geht für ein Sommerfest usw. Letztendlich hilft man sich. Natürlich gibt es eine Konkurrenz und ich denke, das ist auch ganz gut so. Solange es nicht in Streit ausartet, ist das alles natürlich und auch so gewollt.

Die Nachbarschaften in Schwelm haben eine lange Tradition, die nur durch den immer wieder nachrückenden Nachwuchs aufrecht erhalten werden kann. Letztes Jahr konnte die Nachbarschaft Fronhof am Heimatfest nicht teilnehmen, weil Mitglieder ausfielen und es zu wenig neue Mitglieder gab, die hätten einspringen können. Ist der Nachwuchs generell ein Problem für die Nachbarschaften?

Das möchte ich einfach einmal mit ja beantworten. Mir sind viele Nachbarschaften bekannt, die Nachwuchsprobleme haben. Wenn man jetzt einmal ein bisschen in die Historie zurückblickt, da gab es eben die Vereine, die Nachbarschaften, die die Möglichkeit geboten haben, aktiv seine Freizeit zu gestalten mit Menschen, die einem durch die Nachbarschaft bekannt waren, mit denen man zusammen gelebt und gewohnt hat, und auch seine Freizeit verbracht hat. Das hat sich ja im Laufe der Jahrzehnte unheimlich geändert. Es gibt gerade für junge Leute unendlich viele Möglichkeiten seine Freizeit zu gestalten. Und Nachbarschaftsleben bedeutet auch, gerade in den Sommermonaten vor dem Heimatfest, jede Menge Arbeit. Es ist Vergnügen und so sollte es ja auch sein, aber es bedeutet eben auch jede Menge Arbeit. Und eine gewisse Verpflichtung ist damit natürlich auch verbunden. Von daher gesehen ist es glaube ich auch verständlich, wenn junge Leute dann da eher vorsichtig sind. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Situationen, wo einzelne Nachbarschaften vermeintlich kurz vorm Ende waren und dann durch einen Zugang neuer junger frischer Mitglieder dann doch wieder einen Sprung nach oben getan haben. Letztendlich bei uns, „Zum Roten Wasser“, war es genauso. Bis vor drei oder vier Jahren war es auch so, dass da ziemlich wenig gelaufen ist. Die Beiträge, die gebraucht wurden für das Sommerfest, waren eher dürftig, und vor drei Jahren gab es dann eben diesen Punkt, wo einfach neue Mitglieder in den Verein gekommen sind. Es gab in Schwelm eine Gruppe, Freunde des Heimatfestes, die sich zusammengeschlossen haben, und über diesen lockeren Zusammenschluss sind dann einige bei unserer Nachbarschaft hängen geblieben. ich übrigens auch. Und die engagieren sich jetzt als Mitglieder und es macht wieder Spaß. Das hat dem ganzen Verein, der ganzen Nachbarschaft, unheimlich gut getan! Wir blicken im Moment wieder ein bisschen positiver in die Zukunft. Aber generell, und das muss man einfach so sehen, gibt es Nachwuchsprobleme. Es ist einfach so, das kann man glaube ich auch nicht verleugnen.

Was waren bisher Deine Highlights als Teil der Nachbarschaft „Zum roten Wasser“? An welche Momente denkst Du besonders gerne zurück?

Wie ich ja gerade schon sagte, gab es lange Jahre des Stillstands. Gerade beim “Roten Wasser“. Und als wir mit unserer aufgefrischten Truppe (innerhalb dieser Gruppe gehöre ich natürlich auch schon wieder zu den älteren) einen vernünftigen Heimatfestzug-Beitrag präsentieren konnten, mit dem wir auch ein bisschen weiter vorne in der Gesamtplatzierung gelandet sind, das hat schon tierisch viel Spaß gemacht! Und das hatte vor allen Dingen, das hat man gemerkt, alle Mitglieder, auch die älteren, wieder motiviert. Das ist schon schön, was da dann passiert ist. Man hat dann wieder ein bisschen mehr zusammengesessen, zusammengehalten, zusammen gearbeitet zusammen gefeiert. Ich denke, das ist schon recht schön. Ich war ja auch, bevor ich „Zum Roten Wasser“ kam, Mitglied in einer anderen Nachbarschaft. Da war es letztendlich genauso. Es ist einfach so, man braucht einmal ein paar Erfolgserlebnisse, es muss Spaß machen und man muss das Gefühl haben, alle ziehen an einem Strang. Das ist das Highlight denke ich mal, auch für mich. Mir macht´s Spaß und ich sehe das auch an den anderen Leuten, die dazu gekommen sind, die einfach mal reingeschnuppert haben und gesagt haben: „Das macht Spaß!“. Vor allen Dingen eines darf man nicht vergessen: wenn man Aktiver ist, wird man so ein bisschen infiziert von dieser ganzen Geschichte. Man nimmt sich jedes Jahr vor: „Das war das letzte Mal, das tust du dir nie wieder an!“. Es ist ja auch anstrengend! Und jedes Mal, wenn das Heimatfest vorbei ist, und man denkt an das nächste Jahr, dann juckt es schon wieder in den Fingern. Man ist also schon infiziert, wie ich gerade sagte, von dieser ganzen Geschichte. Und es macht immer wieder Spaß!

In knapp zwei Wochen beginnt das Heimatfest. Seid Ihr an Eurem Bauplatz noch ordentlich am werkeln oder könnt ihr Euch entspannt zurücklehnen, weil für den großen Festzug schon alles steht?

Entspannt zurücklehnen ist gut! (lacht) Also ich muss sagen, wir haben hervorragende Planer, wir haben hervorragende Handwerker, so dass wir mit unserem heimatkundlichen Beitrag, den wir dieses Jahr wieder präsentieren, recht gut in der Zeit sind. Wir arbeiten derzeit an unserer Fußgruppe, am Einzelgänger, und ich sage einfach mal, wir sind relativ gut in der Zeit. Entspannt zurücklehnen ist allerdings definitiv nicht möglich, es gibt noch einiges zu tun. Und insbesondere, und das werden glaube ich andere Nachbarschaften bestätigen können, je näher der Termin des Heimatfestes rückt, desto hektischer geht es auf den Bauplätzen schon einmal zu. Dann merkt man: hier ist noch eine Baustelle, da ist noch eine Baustelle und da fliegen dann auch schon einmal die Fetzen! Da fallen auch schon einmal ein paar härtere Worte, die nach dem Heimatfest wieder vergessen sind. Und das ist auch gut so. Aber ich denke einfach mal, diese gewisse Hektik, diese Spannung, die gehört einfach dazu, so ist es auch bei uns. Wir liegen allgemein gut im Rennen. Der Rheinländer sagt: Et hätt noch emmer joot jejange. Bei uns genauso und bei allen Nachbarschaften auch. Wir werden am Heimatfest-Sonntag uns alle auf den Weg machen und das ist schön so. Wir freuen uns drauf.

Wenn Dir der Trubel und die Arbeit in der Nachbarschaft einmal zu viel wird und Du ein wenig Ruhe und Entspannung suchst, hast Du einen Lieblingsplatz im EN-Kreis, an dem Du besonders gut relaxen und Deine Akkus wieder auftanken kannst?

Das ist eine gute und interessante Frage. Zunächst einmal: ja, es gibt also auch die Momente, und das gilt nicht nur für mich, da braucht man einfach mal ein bisschen Abstand. Und man gönnt sich dann einfach einmal einen oder auch vielleicht zwei Tage Pause, gerade jetzt so in den Sommermonaten, und macht irgendwas anderes. Lieblingsplatz? Ich weiß gar nicht, es gibt so viele schöne Orte bei uns im EN-Kreis, und auch hier in Schwelm. Manchmal reicht auch einfach ein Spaziergang durch den Martfeld-Park, um einfach ein bisschen zu relaxen. Oder man fährt in die nähere Umgebung, ein bisschen spazieren gehen, mal in einen Biergarten setzen, einfach nur ein bisschen Abstand gewinnen. Das reicht glaub ich schon aus. Ich hab also nicht unbedingt den absoluten Lieblingsplatz, dafür ist unser Kreis und auch unsere Stadt viel zu schön, da gibt es viel zu viele schöne Orte…

Vielen Dank für das nette und wirklich interessante Interview! Wir freuen uns auf das Heimatfest und dort Eure Arbeit der letzten Wochen bewundern zu dürfen!

2 Kommentare zu „Interview mit Claus Kaiser“

  1. Pingback: EN-Aktuell Aug/Sep 2017 - EN-Aktuell

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