Der Artikel „INTERVIEW MIT CLAUS HAGEMANN – „Ich bin eigentlich kein Mineraliensammler, das hat sich durch eine Anhäufung von Zufällen so ergeben“ erschien in der EN-Aktuell 07/16. In der Zeitschrift ist nur ein gekürzter Teil des Interviews zu lesen. Das komplette, ungekürzte Interview finden Sie hier – zum anschauen oder lesen.
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Interview mit Claus Hagemann
„Ich bin eigentlich kein Mineraliensammler, das hat sich durch eine Anhäufung von Zufällen so ergeben“
Sie sind Diplom-Mineraloge, Mineralienhändler und Veranstalter der Edelstein und Mineralienbörse, die dieses Jahr schon zum 33 Mal in Ennepetal/im EN-Kreis/in NRW stattfindet. Wie hat Ihre Leidenschaft für Edelsteine und Mineralien begonnen? Haben Sie als Kind schon besondere Steine und Mineralien gesammelt?
Überhaupt nicht. Ich bin eigentlich kein Mineraliensammler, das hat sich durch eine Anhäufung von Zufällen ergeben, dass ich ein naturwissenschaftliches Studium angefangen habe. Im Prinzip sogar ein bißchen heraus aus dem Ehrgeiz, nachdem man mir in der Schule gesagt hat, ich könne kein Mathe und kein Physik, zu zeigen, dass es doch irgendwie geht. Mineralogie ist auch eigentlich ein naturwissenschaftliches Studium mit dem Ziel, dass man hinterher in der Forschung arbeitet. Ein kleiner Spezialzweig ist die Gemmologie. Da gibt es in Mainz das Institut für Edelsteinwissenschaften und da habe ich meine Abschlussarbeit gemacht. Danach habe ich nicht unbedingt den Job gefunden, den ich haben wollte und dann habe ich ganz klein mit einem drei Meter Stahlrohr-Stand aus Solingen angefangen Mineralien zu verkaufen. Und dann hat sich das ganz gut entwickelt. Aber wie gesagt, richtig Sammler war ich nie und die ersten Jahre habe ich auch nie Sachen zurückgehalten. Inzwischen habe ich schon eine Sammlung aufgebaut, die besten Stücke behält man dann für sich und bietet diese nicht zum Verkauf an.
Als Mineraloge ist man doch sicher häufig auf Reisen. Wo überall auf der Welt haben Sie schon nach Schätzen gesucht?
Reiseziele waren unter anderem Sri Lanka, Marokko, in Brasilien bin ich sehr häufig gewesen, genauso wie in den USA zum Einkaufen.
Aus den USA kommen Sie ja gerade.
Ich bin 48 Stunden zuvor aus Kalifornien zurück angereist. Bei mir ist im Moment des Interviews gerade noch zwei Uhr morgens, aber für Sie bin ich gerne aufgestanden. (lacht) Das mit dem Reisen hat sich jetzt etwas eingeschränkt durch das Internet-Zeitalter. Wenn man zum Beispiel früher schöne Amethystdrusen haben wollte, musste man nach Südbrasilien fliegen. Das ist ein sehr langer Flug. Erst nach Rio, dann weiter nach Porto Alegre, dann nochmal fünf Stunden mit dem Bus in die Minengebiete und dann gucken, ob in den Minengebieten Amethystdrusen angeboten werden. Manchmal hat man Glück und manchmal ist auch gerade jemand anderes da gewesen und hat alles gekauft. Seitdem es Internet gibt, ist es einfacher geworden. Man fliegt nicht mehr dorthin, sondern man lässt sich über das Internet mit einer Kamera das Lager zeigen und entscheidet dann, ob man es kauft oder nicht.
Bestimmt gehen dabei viele Erinnerungen verloren. Direkt vor Ort zu sein, das mitzuerleben, macht einen Stein oder ein Mineral doch zu etwas ganz Besonderem, oder?
Das stimmt schon. Andererseits, wenn man das so wie ich schon weit über dreißig Jahre macht, dann wird man irgendwann ein bißchen reisemüde. Auch gerade Flugreisen sind in den letzten Jahren ja nicht gerade angenehmer geworden. Die Sitze werden immer enger, es wird immer umständlicher und deshalb versuche ich zur Zeit, wenn ich nicht irgendwo hin muss, nicht zu reisen.
Es ist ja auch schön hier in Ennepetal!
Das ist es! Aber wo ich jetzt herkomme aus Kalifornien, war zwar das Wetter genauso schön, wie zur Zeit hier in Deutschland, doch dort ist der Ozean vor der Haustür! (lacht)
Waren Sie selbst auch schon in Minen unterwegs, um Mineralien oder Edelsteine zu finden?
Ja, früher auf den Reisen natürlich viel. Ich habe selber auch mal Reisen für Mineraliensammler und Einkäufer veranstaltet. Da waren wir mehrfach in Sri Lanka und dort sind wir natürlich direkt auch an die Minen gegangen. In Sri Lanka werden viele Safire und Mondsteine gefunden. Auch in Brasilien sind wir viel herumgefahren mit dem Bus.
Wie gefährlich ist es in eine solche Mine hineinzugehen?
Es gibt Minen, da habe ich wirklich gesagt: „Ihr, meine lieben Gäste, könnt gerne auf Eigenverantwortung da hineingehen!“, aber ich selbst habe mir das nicht angetan. Ich kann mich daran erinnern in Santa Terezinha de Goiás, da konnte man mehrere hundert Meter mit einem sehr einfachen Fahrstuhl in eine Smaragdmine nach unten fahren. Das Ganze war streng bewacht mit Leuten, die offen Pistolen und Gewehre trugen. Und einige meiner Kunden sind runter gefahren, auch mein damaliger Mitveranstalter, aber ich habe lieber oben gewartet.
Welches sind die größten Schätze in Ihrer Sammlung? An welchen Stücken hängt ihr Herz am meisten?
Mein persönlicher Favorit ist Turmalin aus Südkalifornien aus der sogenannten Himalaya-Mine. Diese befindet sich nicht in Asien im Himalaya, sondern die Mine heißt nur Himalaya-Mine. Dort werden sehr schöne Turmaline gefunden. Turmalin ist ein recht wertvoller Edelstein. Ich habe 1983 dort ein halbes Jahr zur Vorbereitung einer wissenschaftlichen Arbeit gewohnt, und seit dem sind diese Stücke meine Lieblingssteine. Da habe ich ein paar zu Hause, die stehen nicht zum Verkauf.
Weil sie Ihnen am Herzen liegen.
Das kann man so sagen. Aber auch, weil sie jedes Jahr wertvoller werden, die Mine ist inzwischen geschlossen. Und man muss ja auch ans Alter denken! (lacht)
Der 26. November 2011 war für sie ein trauriger und verlustreicher Tag. Was ist an diesem Samstag vor fünf Jahren in der Dortmunder Westfalenhalle geschehen?
Ich hatte, wie schon einige Jahre zuvor, auf Anfrage der DMF, dem Verband des Deutschen Mineralien- und Fossilien-Fachhandels, dem ich auch angehöre, der Messe Dortmund bzw. der Westfalenhalle GmbH, fünf meiner besten Goldnuggets geliehen. Es waren sogar eigentlich mehr, gestohlen wurden letztendlich dann fünf. Ich habe die dort hingebracht, in Vitrinen verschlossen und Samstagmittag bekam ich dann einen Anruf und musste sofort nach Dortmund kommen. Ich selbst war nicht Aussteller. Dann habe ich gefragt: „Warum muss ich denn kommen?“. An dem Tag spielte gerade Dortmund gegen Schalke und rund um das Westfalenstadion war Verkehrschaos. „Ja, Sie müssen kommen, da ist etwas geraubt worden!“.
Das war wahrscheinlich erst einmal ein großer Stich im Herzen.
Ich habe dann sofort gefragt: „Alles?“. „Nee“, sagten die, „nur ein paar Stücke!“. Aber die Diebe haben sich die Stücke ausgesucht, die optisch am größten wirkten. Wie das Ganze passiert ist, ist nie ermittelt worden. Es gab leider überhaupt keine Video-Überwachung. Es sollte eigentlich eine Bewachung bei den Vitrinen sein, denn es lagen nicht nur meine Stücke dort, sondern auch sehr wertvolle Stücke anderer Leihgeber, mit einem Wert bis in den Millionenbereich. Man kann nie ausschließen, dass so etwas passiert, aber die Stücke hätten vielleicht doch ein bißchen besser bewacht sein können.
Jetzt würde man im ersten Moment denken, die Stücke sind versichert, das dürfte relativ schnell abzuwickeln sein. Zudem ist es für die Diebe sicherlich nicht leicht die Stücke zu verkaufen, sie kennen ja sicherlich die meisten Mineralienhändler und haben die auch sicher kontaktiert. Da müssten die Goldnuggets doch bestimmt wieder auftauchen.
Mir war eigentlich klar, dass spätestens 48 Stunden nach dem Diebstahl die Stücke eingeschmolzen waren. Das tut natürlich schon weh, weil das unersetzliche Stücke waren. Die Kripo hat auch nichts ermitteln können. Ich habe ein Flugblatt gemacht, das ich durch meine weltweiten Kontakte auf allen Kontinenten verteilt habe mit der Angabe der kriminalpolizeilichen Telefonnummer und Aktenzeichen, das hatte ich mit der Kripo so abgesprochen. Da ist aber nichts bei rausgekommen. Verkauft werden konnten die Stücke nicht, weil die fotografiert wurden und diese Fotos sind überall veröffentlicht worden. Die Stücke sind meiner Meinung nach schnell eingeschmolzen worden und die Kripo hat auch die Ermittlungen sehr schnell eingestellt.
Die Westfalenhalle GmbH hat sich lange gewehrt den Schadensersatz zu zahlen, der Ihnen, Herr Hagemann, zusteht. Die Herrschaften der Westfalenhalle bezweifelten sogar die Echtheit Ihrer geklauten Goldnuggets und gingen nach dem ersten Urteil, das positiv für Sie ausfiel, sogar noch in Berufung. Dieses Jahr dann das endgültige Urteil: Die Westfalenhalle GmbH kommt nicht um die Schadensersatz-Zahlung herum. Welches Fazit ziehen sie nach fünf Jahren Rechtsstreit?
Das Fazit ist, dass ich speziell der Westfalenhalle nie wieder etwas leihen werde und auch wenn andere anfragen, werde ich sehr viel vorsichtiger sein. Es gibt den ein oder anderen Kollegen, bei dem ich sagen würde: „Ok, Euch leihe ich etwas“, vielleicht nicht in diesem großen Umfang, der in einem sechsstelligen Bereich liegt. Aber das war doch sehr überraschend, dass die Westfalenhalle versucht hat, sich da aus der Verantwortung zu ziehen. Die Geschichte, dass es sich um kein echtes Gold handele, das hat die ganze Welt nicht verstanden! Das haben nur die Anwälte in Dortmund verstanden. Viel mehr kann man da nicht zu sagen.
Haben Sie denn am Ende wenigstens den Geldwert Ihrer Goldnuggets zurückbekommen?
Der Wert, der im Vertrag auch festgelegt war, lag bei circa 111.000 Euro für diese Stücke. In einer ersten Güteverhandlung haben sie mir 50.000 Euro angeboten. Ich habe klar gesagt, ich möchte mich nicht vergleichen, denn für mich war die Rechtslage klar. Letztendlich habe ich rein rechtlich auch gewonnen und bin froh, dass es damit zu Ende ist. Aber es gibt halt spezielle Regelungen beim Oberlandesgericht, das nach aktuellem Goldwert geurteilt wird und der war leider an dem Tag im Januar so niedrig, wie jetzt das ganze Jahr über nicht. Und da habe ich eben statt 111.000 Euro, nur 92.000 Euro zugesprochen bekommen. Was viel ärgerlicher ist und was für mich auch ein bißchen unverständlich ist: Ich hatte rund 14.000 Euro Kosten für Gutachten, Anwälte, Gerichtskosten etc. und da habe ich jetzt rund 5.000 Euro wiederbekommen und dann kam aber noch eine Rechnung aus Dortmund zum Abschluss dieser ganzen Sache. Und da musste ich noch knapp 2.000 Euro den Dortmundern zurückschicken. Es war etwas merkwürdig, ich habe es immer noch nicht ganz verstanden. Mein Anwalt hat versucht mir zu erklären, das ist wohl Recht so, aber naja…
Das heißt, Sie haben nicht nur den Schaden, dass Ihnen wertvolle Stücke aus Ihrer Sammlung verlorengegangen sind, sondern letztendlich auch einen finanziellen Schaden davongetragen?
Das kann man nicht ganz so sagen, denn ich habe die Stücke ja in den 90er Jahren gekauft als Gold noch preiswerter war und die Stücke sind eben wertvoller geworden. Es waren zwei sehr seltene Stücke aus Kalifornien dabei, die nicht zu ersetzen sind. Ich komme ja jetzt gerade zurück aus Kalifornien und war auch bei verschiedenen Händlern, um zu gucken, ob ich Stücke ersetzen kann. Diese beiden Stücke, von denen ich spreche, die sind einfach nicht mehr zu ersetzen, weil es wird nichts mehr produziert in dieser Mine.
Und andere Sammler, die solche Stücke haben, werden die wahrscheinlich auch wie einen Schatz hüten.
Ich hab im Internet auch nach Vergleichsstücken gesucht, um auch dem Gericht sagen zu können, was die Sachen wert sind, aber nichts in der Art gefunden. Und wer etwas hat und es verkauft, der wird auch einen entsprechenden Preis verlangen.
Eine sehr traurige und schmerzvolle Geschichte für Sie.
Ja. Ich bin froh, dass es vorbei ist. Es hätte vielleicht auch noch ganz anders ausgehen können. Das hätte ich dann zwar noch weniger verstanden. Denn ich hatte einen unterschrieben Vertrag, in dem wir vereinbart hatten, was die Stücke wert sind. Doch der vertrag war anscheinend nichts wert. ich war da wohl etwas zu gutgläubig. Der Vertrag wurde mir aus Dortmund geschickt, ich habe ihn natürlich gelesen und auch bei unserem Bundesverband nachgefragt, ob dieser so in Ordnung ist und man hat mir gesagt, den kannst du so unterschreiben. Man rechnet ja nicht damit, dass so etwas passiert!
Die Stücke sind leider weg. Das Ärgerliche ist, das einer der Stücke zu meinem Logo der Edelstein- und Mineralienbörse gehört. Das schmerzt am meisten, dass das nicht mehr da ist. ich habe sogar überlegt das Logo zu ändern, aber da das so gut passt von der Form her mit der Turmalinscheibe und dem Türkisarmband, lasse ich es doch so.
In wenigen Wochen startet die 33. Edelstein und Mineralienbörse in Ennepetal. 33 ist eine stolze Zahl. Was waren die Highlights in der Geschichte der Edelstein und Mineralienbörse? Welche Personen, Ausstellungsstücke, Vorträge oder Situationen der letzten Jahrzehnte sind Ihnen am deutlichsten in Erinnerung geblieben?
Das besondere Augenmerk liegt auf den sogenannten Sonderausstellungen. Das ist in diesem Jahr „Mineralien aus den Alpen“. Das Thema wurde von einem unserer Aussteller vorgeschlagen, der die besten Stücke aus seiner Sammlung mitbringt und auch noch zwei weitere Kollegen animiert hat, Stücke zur Verfügung zu stellen. Von besonderem Interesse für das Publikum war immer die Sonderausstellung mit Meteoriten. Wir hatten sogar Mars- und Mondmeteoriten. Die waren zwar sehr klein, aber das wurde vom Publikum immer sehr interessiert aufgenommen.
Kommen denn nur ältere Leute auf die Börse oder auch Kinder und Jugendliche?
Das ist sehr gemischt. Gerade auf meiner Veranstaltung versuche ich auch die ganz jungen zu motivieren. So haben wir seit mehreren Jahren einen Spezialvortrag, der für Kinder ab drei Jahre gehalten wird und der wird sehr gut angenommen. teilweise sitzen in diesen Vorträgen auch die Eltern, aber gerade die Kinder sind begeistert. Dann haben wir das Edelsteinwaschen am Eingang, das für die Kinder kostenlos ist. Da können sie aus Sand so kleine Steinahn rauspicken. Oder wir bieten auch Geoden-Knacken und Edelsteinschleifen. Es kommen von ganz jung bis ganz alt alle vorbei.
Sie sorgen also auch schon für den Nachwuchs?
Das müssen wir! Denn die eigentlichen Mineraliensammler in Deutschland sind schon ziemlich alt geworden und die Jugend muss so ein bißchen herangeführt werden. Da sehe ich eine Chance, dass sich das mit Sonderaktionen für Kinder auf der Veranstaltung machen lässt.
In einem Satz: Warum sollte man die Edelstein und Mineralienbörse am ersten November-Wochenende unbedingt besuchen?
Zum einen, weil immer etwas Neues geboten wird und weil ein Angebot da ist, was man so speziell im EN-Kreis oder im ganzen Ruhrgebiet sonst nirgendwo zu sehen bekommt. Es gibt zwar noch einige andere Mineralienbörsen, aber die sind zum Teil auch kleiner und auf denen wird häufig nur noch Schmuck angeboten. Bei uns ist es eben eine gute Mischung aus Edelsteinen, Schmuck, Mineralien, Rohsteinen und Fossilien – von allem ein bißchen. Ich höre auch nach der Veranstaltung immer wider Kommentare, dass es sich gelohnt hat auf die Börse zu kommen.
Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für die bevorstehenden Börse!
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