Der Artikel „INTERVIEW MIT BIANCA MCGUIRE – „Das ist unser heimisches Superfood! Das kostet nichts, das wächst genauso, wie wir das gerade brauchen“ erschien in der EN-Aktuell 01/23. In der Zeitschrift ist nur ein gekürzter Teil des Interviews zu lesen. Das komplette, ungekürzte Interview finden Sie hier – zum Anschauen, Anhören oder Lesen.
Das Interview anschauen statt lesen
Sie möchten das Interview lieber anschauen statt es zu lesen? Kein Problem, hier können Sie sich das Interview ansehen oder anhören:
„Das ist unser heimisches Superfood! Das kostet nichts, das wächst genauso, wie wir das gerade brauchen“
In diesem Frühling haben wir mit der Naturbotschafterin Bianca McGuire sprechen dürfen, die nicht nur Dipl.-Kräuterfachfrau ist, sondern auch Wildnispädagogin, Ethnobotanikerin und Tierkommunikatorin. Stattgefunden hat das Interview in einem Schäferwagen inmitten eines wilden Kräutergartens, der sich Wiesenperle nennt. Ein besonderer Ort und eine ganz besondere Gesprächspartnerin.
Ein Interview von Firat Demirhan
Du bist Pädagogin und wir kennen uns von dem Kindergarten, den auch mein Sohn besucht. Weshalb wir Dich aber heute zu einem Interview eingeladen haben, betrifft einen anderen Berufszweig von Dir, Du bist nämlich nicht nur Erzieherin, sondern auch Diplom-Kräuterfachfrau, Wildnispädagogin, Du hast eine Ausbildung in Ethnobotanik und bist Tierkommunikatorin.
Lass uns doch mal vorne anfangen: was ist eine Kräuterfachfrau und wie muss ich mir deine Arbeit als solche vorstellen?
Das ist erst einmal die Vertiefung, wenn man Pflanzen liebt, dass man sagt, jetzt gucke ich mal genauer hin und geh noch mal zur Schule für die Heilpflanzen oder Unkräuter, die eigentlich Heilpflanzen sind, die bei uns wachsen. Ich bin zwei Jahre zur Heilpflanzenschule gegangen und habe aus Büchern und in der Praxis mit allen Sinnen das Wissen vertieft. Nachher gab es auch eine Abschlussprüfung, wie in der Schule auch.
Ich frage mal ein wenig provokativ: Im Supermarkt stehen ja zig Kräuter und Gewürze – von A wie Anis bis Z wie Zimt. Ist es denn da nötig in den Wald zu gehen oder selbst Kräuter zu pflanzen?
Ich selber habe immer mehr Bezug zu unseren Pflanzen gehabt, die einfach so wachsen, wo wir leben. Die Pflanzen im Supermarkt, das habe ich immer eher damit verbunden, wenn man was kochen will – so südländische Sachen, da fällt mir sofort der Rosmarin ein. Das ist etwas, das konsumieren wir.
Nahrungszubereitung.
Genau, und dann gibt es dass, was uns umgibt, die Pflanzen, die wir direkt vor der Haustür haben. Diese hier habe ich ganz schnell gesammelt. (Nimmt Strauß mit Wildkräutern in die Hand).
Zeig mal bitte! Also die Brennnessel erkenne ich und gerade noch den Löwenzahn.
Ja, das ist richtig, da guckt der Löwenzahn raus. Dann haben wir Giersch und Bärlauch. Und hier guckt ein Duftveilchen hervor, hier Gänseblümchen, Vogelmiere und das hier ist der Giersch. Alles in drei Minuten gepflückt vor der Haustür.
Die Kräuter, die wir jetzt haben, die könnten wir jetzt alle essen?
Die könnten wir alle essen, das sind alles Pflanzen zum Essen.
Was für Vorteile bringen uns diese Pflanzen?
Als erstes mal muss man fragen, wieso sehen wir die nicht? Weil sie sind ja da. Wir können die alle essen, mit allem drum und dran, also wenn man sehr ländlich wohnt. Meistens halten wir ja alles sehr sauber wo wir wohnen, da gibt es wilde Kräuter gar nicht mehr so.
Das ist unser heimisches Superfood! Das kostet nichts, das wächst genauso, wie wir das gerade brauchen. Jetzt nach der Winterpause, wo wir auch alle vielleicht fett gegessen haben, wir mehr gesessen haben und wenig Licht hatten, da haben wir viele Sachen im Körper, die nicht so gut rauskommen. Man nennt das auch Verschlackung oder Fettpölsterchen. Man fühlt sich energetisch nicht so fit. Und dann kommen diese ersten Frühlingskräfte aus der Erde, unglaubliche Kraftquellen, und die haben ganz viele Vitamine und Mineralien und sie entschlacken uns. Die Brennnessel zum Beispiel.
Was würde die jetzt bewirken?
Kannst ja mal anfassen, dann weißt du es sofort, die verbrennt dich. (lacht)
Was würde sie im Körper bewirken, außer den Schmerzen, die man durch das Anfassen empfindet.
Ja, die machen was mit uns, die sind so unterschiedlich.Die Brennnessel ist ein Kraftpaket, die haut durch. Da muss man direkt auf das Klo und der ganzen Schmutz kommt raus. Man muss direkt noch mehr trinken, weil sie auch entwässert.
Und das hier ist der Bärlauch, Du kannst ja mal dran riechen, Du kannst ihn auch essen, wenn du möchtest. Er hat ja diese Scharfstoffe…
(Probiert Bärlauch) So hätte ich das nicht gerochen, aber jetzt mit dem Geschmack im Mund, da merke ich das Knoblauchige sofort. Interessant.
Also der Bärlauch zum Beispiel, der entgiftet uns von Schwermetallen im Körper. Der ist richtig entgiftend.
Das heißt, alles, was gut für den Körper ist, liefern die Kräuter? Ich muss doof fragen, sind das jetzt alles Kräuter?
Ja. Unkräuter. Kräuter, die man eigentlich schlecht macht.
Du hast gesagt, Du hast die in zwei Minuten gepflückt. Wenn man beispielsweise rausgeht, um Pilze zu sammeln, hat man ja manchmal die Gefahr als Laie, dass man auch giftige Pilze mit nach Hause nimmt und die dann verzehrt. Gäbe es denn mein Pflücken von Kräutern oder Pflanzen dieselbe Gefahr?
Ja, wir lesen ja unglaublich viel und hören durch die Medien von Gefahren. Aber ich frage mal zurück, wie viele Menschen kennst Du, die an einer Pflanzenvergiftung irgendwas erlitten haben?
An einer Pflanze tatsächlich weniger.
Es ist spannend! Die Frage ist ja berechtigt. Es gibt giftige Pflanzen, das stimmt. Gerade mit dem Bärlauch wird zum Beispiel immer gesagt, dass er den Maiglöckchen ähnlich sieht, wenn die rauskommen.
Da sagt man auch zu den Kindern: Obacht!
Genau. Es ist also schon gut, wenn man die Pflanzen kennt. Insgesamt sind unsere Pflanzen hier aber sehr, sehr freundlich. Also bis auf die Brennnessel, die piekst natürlich. Wir haben zwei, drei Kandidaten. Zum Beispiel gibt es ein Blatt, Aronstab, das sieht aus wie der Bärlauch, und wenn man das aus Versehen in den Mund nähme, dann brennt der Mund dermaßen, das spuckst Du sofort aus. Oder es gibt zum Beispiel die Tollkirsche, die wächst aber eher im Süden als bei uns hier im Ennepe-Ruhr-Kreis. Das sind so Pflanzen, die haben dann diese Beeren, die schmecken auch noch gut, aber da müsste man aufpassen, weil sie giftig sind. Die gibt es hier gar nicht so. Hier wird man es schon merken.
Wir haben jetzt verschiedene Kräuter hier. Kann es einfach sein, dass wir Menschen die Kräuter unterschätzen?
Genau! Das ist so bei uns, weil es uns vielleicht nicht mehr so vertraut ist. In unserer Menschheitsgeschichte, gerade in den letzten Jahrzehnten, gab es kleine Holpersteine, wo das eher ein Arme-Leute-Essen wurde und man eher auf was Modernes gesetzt hat. Jetzt sind wir in der Fülle, und jetzt sind sie in Vergessenheit geraten. Dabei sind sie unglaublich starke Helfer.
Powerpflanzen!
Erst mal sind es ja Lebewesen, die zum Teil schon immer bei uns waren. Nimm zum Beispiel mal die Brennnessel. Die Brennnessel mag uns, sie geht immer mit uns, ist immer in Menschennähe, und wir sind ihr so ähnlich. Bei der Brennnessel ist das so: sie hat unglaublich viel Eisen in sich. Eisen brauchen wir, um unser Blut zu bilden, und Blut brauchen wir, um stark zu sein im Leben, also kräftig zu werden, widerstandsfähig. Die Brennnessel ist ja auch wehrhaft, genauso werden wir, wie sie. Und sie hat ein Eisen, das wir super aufnehmen können, weil wir so gut zu ihr passen. Und zwar ist das biochemisch zu sehen. Sie hat ein Puzzleteilchen, das ist grün und heißt Chlorophyll. Und hinzukommt unser Hämoglobin vom Blut, das rote Puzzleteilchen, die beiden passen total zusammen. Und sie hat viel Vitamin C, das ist das Transportmittel vom Eisen und deswegen können wir sie zum Beispiel essen, als Tee trinken, als Tinktur nehmen etc. und es kommt sofort bei uns an. Wir können das wirklich ganz stark verwerten und das kannst du mit einer künstlichen Eisentablette, also mit einer zusammengesetzten Eisentablette, eben nicht so gut erreichen.
Ich hatte das eingangs erwähnt, Du bist auch Wildnis-Pädagogin. Das passt natürlich total. Was ist die Absicht dahinter? Versuchst Du, beides zu verknüpfen?
Also, wenn ich Touren mache oder die Menschen kommen hierhin und möchten zu den Pflanzen kommen, dann bin ich dafür da, dass ich hier einen Rahmen schaffe, wo die Menschen die Pflanzen wieder kennenlernen. Mit allen Sinnen. Sie verstehen nachher, wo die Pflanzen leben, was das für Lebewesen sind, wie zu einem passen, zur Familie oder zu Freunden passen. Sie haben alle etwas, das sie uns schenken können, abgesehen davon, dass die auch der Seele gut tun. Und da kommt die Wildnis-Pädagogik rein, das ist sozusagen die eigene innere Wildnis. Wie soll man das jetzt sagen? Die eigene innere Natur wird dadurch wieder geweckt, so dass wir selber wieder einen Zugang zu unserer eigenen Natur bekommen, durch diese Erlebnisse und das Wissen, was dazu kommt.
Wildnis-Pädagogin. Ich stelle mir darunter vor, dass Du lehrst wie früher die Neandertaler versucht haben Feuer zu machen und in der Natur zu erleben. Das ist aber nicht Dein Schwerpunkt, oder?
Das ist etwas, das ich erfahren habe in einem Jahr in der „Wildnis“ also in der Eifel. Da lernt man mit dem Feuer umzugehen und wie man im Wald schlafen kann und auch, wenn es mal stürmt, wie man sich eine Laubhütte zusammenbastelt.
Aber ich glaube, Dein Schwerpunkt ist ein anderer.
Genau. Pragmatisch gesehen liegt der Schwerpunkt darauf, dass man erstens wieder auf seine eigene Naturverbindung, Schwerpunkt liegt natürlich dann auf den Pflanzen und damit auch auf das Essen. Wenn der Supermarkt zum Beispiel mal zu hätte, wüsste ich schon mal, was ich machen könnte. Also das mache ich auch manchmal so in den Kursen und zeige, damit könnt ihr die Wäsche waschen, damit könnt ihr einen Tee kochen, und damit könnt ihr ein Gemüsegericht herstellen, und mit diesen Wurzeln im Winter könnt ihr länger überleben. Man kommt ein bisschen mehr in der Welt an und auch in der Natur von sich selber, erkennt was wir Menschen sind.
Mein Eindruck ist, dass wir Menschen das vielleicht verlernt haben, was eigentlich unsere Vorfahren tagtäglich gemacht haben, sich in oder aus der Natur zu „bedienen“. Hast Du denn auch das Gefühl, dass wir Menschen die Flora und Fauna eigentlich zu wenig wertschätzen?
Ich frage mal zurück: Nimmst Du noch wahr, dass Pflanzen Lebewesen sind?
Es wächst. Man sagt ja auch, man soll ja mit Pflanzen reden. Es ist bewiesen, dass das eine Wirkung hat.
Ich hab manchmal so den Eindruck, dass wir immer weniger von der Natur wahrnehmen und auch auch sehr wenig über sie wissen. Unsere Vorfahren, da war das Leben mit der Natur noch ganz anders. Ist das auch ein Schwerpunkt von Dir in Deiner Arbeit, dass wir wieder dahin kommen unsere Umwelt, die Flora und Fauna, wirklich wahrzunehmen?
Ja, das ist ein Schwerpunkt. Weil es mir wirklich am Herzen liegt. Also dieses Wissen darum, wie die Pflanzen und wir immer schon zusammengelebt haben, dass die uns ernährt haben, dass sie unsere Kleidung waren, dass sie unsere Medizin waren und so weiter. Dass die Pflanzen im Grunde alles für uns sind und waren. Sie machen die Luft, die wir atmen. Pflanzen sind auf diesem Planeten uralte Lebewesen, also wirklich viel, viel älter als wir Menschen. Wir sind sozusagen die Kinder der Pflanzen. Wir haben das nur ein bisschen vergessen! Wir haben so in unserem Zeitzauber gelernt, das ist mehr ein Sachgegenstand. Dass das wirklich ein Lebewesen ist, was nur einfach anders ist. Sie sind so flächendeckend, ich weiß die genaue Zahl nicht, aber sagen wir mal, 93 Prozent der Lebewesen auf der Erde sind Pflanzen. Ich weiß nicht, ob wir Menschen überhaupt ein Prozent schaffen. Die Pflanzen sind komplett unterschätzt, und auch wenn wir sagen, wir sind Kinder der Pflanzen, kann man nur erahnen, wie gut wir mit ihnen zusammenpassen, in allen Formen.
Es gibt ja dieses Zitat: Die Natur ist das schönste Spielplatz für Kinder. So wie unsere Kinder die Natur aufnehmen, bestenfalls mit allen Sinnen, die es gibt. Ich finde persönlich das schon schade, dass das abgenommen hat, je älter man wird.
Und das ist was, was ich jetzt allen ans Herz legen kann, wirklich mal in sich zu gehen und sich bewusst wieder für so natürliche Prozesse zu entscheiden.
Durch die Sachen, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, gibt es vieles bei dem wir Ängste haben und dabei denken, dass das unhygienisch oder giftig sein könnte. Wir erleben eine Naturentfremdung. Das heißt aber auch eine Entfremdung von unserer eigenen Natur. Und dann kriegen wir auch Unsicherheiten. Und wenn man da wieder reinkommt, dass wir Natur sind und dass wir zu dem Ganzen dazugehören und darauf vertraut, dann ist das eine riesen Kraftquelle. Auch für die Kinder, die brauchen das ganz, ganz doll!
Hast du das Gefühl, dass in der Zeit von Corona das Gefühl das Gespür für die Natur nicht eher zugenommen hat, weil Menschenzusammenkünfte vermieden werden sollte, so dass wirklich viele den Weg in den Wald eingeschlagen haben?
Ich glaube, das hat schon bewirkt, dass die Menschen das ganz stark gesucht haben. Sie haben das auch als seelisches Heilmittel gesucht. Der Wald, wo man wieder Luft kriegt, wo man sein darf. Also die Pflanzen sind ja generell friedlich. Die fragen dich nicht, wer du bist. Du darfst da sein, wie du bist. Und das war, glaube ich, auch in diesen Zeiten, wo wir eher beengt waren, ganz heilsam. Und auch für die Kinder total wichtig, dass sie in die Natur konnten und da rumrennen konnten, ohne an irgendwas zu denken, frische Luft atmen. Also das ist ja ein Riesenkomplex, weil das ist unser Zuhause.
Wir sind quasi nur Gäste. Ich meine es gibt ein Zitat das besagt, dass wenn wir Menschen nicht wären, sich die Natur die Welt wieder zurückholen würde.
Jetzt sage ich mal, wie ich das wahrnehme. Wir sind ja hier an einem Ort, der Wiesenperle. Das können die Leser und Podcasthörer nicht sehen, aber hier außen herum ist ein Garten. Ich wurde von den Bauern und Pächtern einmal gefragt: „Was machst du denn da raus, einen tollen Kräutergarten?“. „Nee!“, habe ich gesagt, „Ich lasse alles verwildern!“. (Lacht) Und sie sagten alle so: „Um Himmelswillen…“. Aber was passiert ist, nach all den Jahren, wo man jetzt hier ist: die Pflanzen kommen alle! Ich hab den Bärlauch hier, die Duftveilchen, dann die Vogelmiere, die mag ich so gern. Jetzt habe ich gemerkt, die ist überall! Im Sommer kommt der Frauenmantel. Ich kann eine Kräutertour nur um diesen Ort machen! Aber woher kommt das? Das ist ein Zauber. Ich kann Dir sagen, woher das kommt. Hier kommen Menschen hin, die Pflanzen lieben, und dann kommen die Pflanzen. Das ist kein Zufall! Auch bei Dir, wo Du lebst oder wo der andere Mensch lebt, der das jetzt sieht oder hört: man hat bestimmte Pflanzen um sich herum. Wir nehmen das oft nur nicht wahr. Wir sind ein Teil, das heißt, wir haben vielleicht noch nie drüber nachgedacht, aber vielleicht sehen die Pflanzen uns ja auch? Wir denken immer nur, wir sehen sie. Sie sehen uns natürlich anders, wie wir sie sehen, sie haben andere Wahrnehmungen.
Es ist schon so, dass es da eine Wechselwirkung gibt?
Ja! Wir dünsten aus, wir verlieren unsere Haare, wo wir leben. Wir verlieren auch ständig Hautschuppen. Die Brennnessel, die liebt alles, was wir verlieren, alles, also auch, wenn wir mal Pipi müssen, die findet alles super von uns. Wir haben einen Einfluss. Und wir bringen auch eine Vielfalt, weil wir auch so sind. Wir Menschen haben auch gute Seiten, wir brauchen nur den Zugang wieder.
Das ist schön gesagt. Bei Deinen Ausführungen ertappt man sich, wie wenig man tatsächlich weiß. Zumal man das, was man selber nicht weiß, auch schlecht an seine Kinder weitergeben kann. Das ist Wissen, das jeder von uns unbedingt haben sollte.
Vor dem Wissen kommt noch was anderes: dass man es liebt. Wenn man die Natur liebt, dann gibt man das auch an die Kinder weiter. Dann ist ja alles offen. Das kann ich auch aus Erfahrung von dem Ort hier sagen, dass, wenn man sich Pflanzen mit Menschen anguckt, die hier hinkommen, dann fangen die Menschen an über eine Pflanze zu reden. Dann frage ich: „Wie sieht die denn aus ?“. Und dann kommt unglaublich viel Wissen, obwohl wir nichts wissen. Wir haben das in uns! Weil wir ja immer mit den Pflanzen zusammen waren. Ich weiß nicht, ob Du weißt, was ich damit meine. Also wir können fast sehen, wenn wir genauer hingucken, ob sie so aussieht, ob wir sie in den Mund nehmen können. Oder sagen: „Nee, das Blatt ist mir so zackig und komisch, das würde ich im Leben nicht essen!“. Giftpflanzen haben auch manchmal einen gewissen Ausdruck. Bei der Brennnessel zum Beispiel ist es klar, sie zeigt es ja sogar an mit ihren Zacken, dass sie nicht so ganz ohne ist. Oder Gänseblümchen: du stehst vor einem Gänseblümchen und schaust es an und dann stehst du vor einer Brennnessel. Du hast bei beiden eine andere Wahrnehmung, du musst nichts wissen. Du weißt aber instinktiv, das Gänseblümchen ist irgendwie lieblicher und die Brennnessel irgendwie hui. Das ist eine andere Ebene, ohne Kopf.
Ich versuche jetzt, die Brücke zu schlagen. Auf dem Weg hierhin habe ich einige Ziegen gesehen. Kann man mit Tieren kommunizieren?
Erst mal: man kann mit allem kommunizieren. Man kann auch mit Pflanzen kommunizieren. Das war ja gerade dieses Bild, dass die Pflanzen hier hinkommen. Und wenn man mit seiner Zimmerpflanze gut ist, oder das ist sogar wissenschaftlich erwiesen, wenn man nur denkt, sie ist schön, das hat man mit so elektromagnetischen Steckern festgestellt, dass die Pflanze reagiert. Du stehst also vor Deiner Pflanze und denkst. „Ach, ist die schön!“ und schon reagiert die Pflanze. Da denkt man, was ist das, wie geht das? Und auch die Tiere haben andere Arten der Kommunikation. Wir haben natürlich auch viel mehr als nur die Sprache, wir nehmen viel mehr wahr. Und mit Tieren kann man auch kommunizieren, natürlich auch über Körpersprache, das kennt jeder im direkten Kontakt, aber eben auch in diesem telepathischen Spielraum, so nennt man das, und mit gewissen Techniken.
Wahrscheinlich ist jedes Tier anders. Hast Du Erfahrungen gemacht, mit welchen Tieren Du besonders gut kommunizieren kannst?
Also erst einmal muss ich sagen, ich habe diese Kommunikation gelernt. Das ist eine bestimmte Technik. Man begibt sich in einen Zustand, gibt so eine Art Navigation ein mit bestimmten Daten, dann findet man dieses Tier telepathisch. Dann kommt erst einmal die Ethik. Man fragt. „Ist das okay, möchtest du sprechen?“. Deine Frage war, ob manche Tiere gerne sprechen?
Ob manche Tiere vielleicht anders kommunizieren oder besser?
Zugewandt sind sehr oft Hunde, wie man sich vorstellen kann. Oft möchten Hunde sehr gerne. Wenn das dein Hund wäre, dann würde ich sagen: ich habe deinen Besitzer hier, dann würde ich den Namen sagen, und dann zeigt der Hund zumeist schon irgendwas. Beim Pferd ist das je nach Temperament oder Beziehungen. Ein bisschen urig ist es manchmal mit Katzen, weil Katzen ein bisschen anders in der Welt sind, ähnlich wie Ziegen. Die haben ja diesen verträumten Blick. Die gucken manchmal nach außen und nach innen. Und das ist das, wo man bei einer Katze immer ein bisschen abwägen muss, wo sie denn jetzt gerade ist. Es gibt Situationen, in denen man kaum einschätzen kann, ob diese Katze noch lebt oder schon gestorben ist. Ich weiß nicht, ob das so klar wird…
Ich bin Katzenbesitzer, also ich kann das nachvollziehen.
Du kennst diesen Blick! Genau, sie sind so ein bisschen in anderen Welten. Da muss die Katze sich entscheiden, ob sie da jetzt bereit ist.
Kann man das erlernen?
Das kannst Du lernen, das ist eine Technik. Es gib gute Menschen, die das lehren.
Irgendwie schließt sich aber auch damit der Kreis. Tiere gehören zu unserer Natur, zu unserer Umwelt. Ich finde jedes der Themen, die wir angesprochen haben, sehr spannend und man könnte bei jedem Thema noch mehr in die Tiefe gehen. Wir haben jetzt über die Kräuter gesprochen, über die Wildnis-Pädagogik, über die Kommunikation mit Tieren. Welche Angebote könntest Du mir unterbreiten, wenn ich Flora und Fauna besser kennenlernen möchte?
Also hier in der Wiesenperle gibt es verschiedene Sachen. Es gibt die Kräutertouren im Jahreskreis. Da gibt es immer drei Stück zur Jahreszeit, im Frühling, im Sommer und im Herbst gibt es jeweils drei. Da lernst Du die Pflanzen der Jahreszeit kennen und ihre Bedeutung. Im Frühling haben die Pflanzen andere Qualitäten wie im Sommer oder im Herbst. Deshalb sind die Touren auch so benannt. Du könntest jede Tour mitmachen und würdest immer etwas Neues lernen. Alleine mit der Brennnessel zum Beispiel gibt es jedesmal ein neues Thema. Dann mache ich Krautsitzungen nach Feierabend, in denen man anderthalb Stunden ein Kraut zusammen anschaut. Mit allen Sinnen! Das ist total faszinierend! Also zum Beispiel hatten wir letztes Jahr den Löwenzahn. Als der blühte, sind wir da alle eingetaucht und haben alles mögliche mit dem Löwenzahn gemacht und ihn erkundet. Man ist so erstaunt. Er heißt auf lateinisch Taraxacum officinalis und Officinalis-Pflanzen sind richtige Apothekerpflanzen. Was der alles kann, was man alles von ihm nimmt! Er ist so eine Vitalpflanze, ist überall weich und saftig, und der kann sich überall durchbohren. Wie schafft er das denn? Man lernt die die Persönlichkeit einer Pflanze kennen, man wird das nie wieder vergessen. Also, der Löwenzahn ist danach ein Kumpel, den man überall sieht.
Und was habe ich denn noch? Baumtouren! Das haben wir ein bisschen ausgespart, die Bäume, sind ja auch ein Riesenthema. Zu den Bäumen könnten wir noch mal ein Interview machen! Ich habe Baumtouren in denen man auch durch die Ethnobotanik lernt, was unsere Vorfahren eine Verbindung mit den verschiedenen Baumarten hatten. Jede Baumart kann so viele Geschichten über unsere Kultur erzählen, ist ganz spannend.
Das letzte ist die Jahresgruppe in der Wiesenperle. Wenn Du zum Beispiel sagst, Du möchtest sieben Mal in sieben Monaten eintauchen. Und da stellen wir dann auch eine eigene Hausapotheke zusammen und man guckt, was sind meine Pflanzenfreunde.
Das ist ja ein Mehrwert quasi, dass man nicht in die Apotheke muss.
Darf man so nicht sagen, aber man kann sich besser selber helfen. Man wird selbstbewusster.
Die ganzen Informationen, die Du gerade aufgezählt hast, wo könnte ich mich dafür anmelden oder wo finde ich die Infos zu den verschiedenen Themen?
Über Facebook: „Wiesenperle Breckerfeld“ und ich habe eine Internetseite.
Eine letzte Frage habe ich noch. Das ist eine Frage, die wir all unseren Interviewpartnern stellen. Ich glaube, es gab noch keinen Interviewpartner, der diese Frage vielleicht so gut beantworten konnte wie Du. Was ist denn Dein persönlicher Rückzugsort oder welches Gebiet in unserem Ennepe-Ruhr-Kreis sagt Dir besonders zu?
Also ehrlich gesagt, ist das immer schon mein Heimatdorf gewesen. Das ist hier, wo ich lebe: Bremscheid. Hier bin ich auch aufgewachsen. Und was ich hier immer liebe und schätze, das wünsche ich dem ganzen Ennepe-Ruhr-Kreis: wilde Ecken! Wilde Ecken im Dorf, wilde Ecken rundherum, Hecken, Büsche, alte Bäume, möglichst wild und artenreich. Das gibt es hier noch . Interessant ist: hier kommen ganz viele Menschen zum Spazierengehen hin.
Ich kann nicht verstehen, dass überall alles steril und sauber geschnitten wird und dann wird da aber ein Blühstreifen reingesetzt. Es ist wirklich eine Faszination, wenn das urig geblieben ist, wenn man das erhält und den Mut hat für die Wildheit.
Vielen lieben Dank, Bianca.
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